Es sei vorweggenommen: Die Umsicht und Gründlichkeit der Darstellung, die mutige, von den schwer zugänglichen Gefilden abstrakt-philosophischer Höhenflüge und wissenschaftlicher Abstraktion ebenso weit entfernte Zusammenfassung von Altners Überlegungen zur "Verantwortbarkeit menschlichen Handelns in Bezug auf die irdische Lebenswelt" lässt diesen Titel selbst in der Fülle einschlägig interessanter und kompetenter Arbeiten als einen Glücksfall erscheinen. Ausgehend von der Entsinnlichung des Mensch-Naturverhältnisses durch den Siegeszug der materialistisch orientierten Naturwissenschaft, legt der Autor dar, dass die Künste entscheidend dazu beitragen könnten, den "Käfig der Beurteilungsklischees" wissenschaftlicher Welterfahrung zu zerbrechen. In der Auseinandersetzung mit utilitaristischen Ethik-Konzeptionen (P. Singer und D. Birnbacher) gelangt er zu einer Würdigung A. Schweitzers. "Die möglichst weitgehende Minimierung von Schmerz, Zerstörung und Tod unter Einfluss aller an der Überlebenskonkurrenz beteiligten Partner" sieht Altner als Handlungsziel umfassender Bioethik. Er macht zugleich klar, dass es den anzustrebenden Einklang mit der Natur" nur um den Preis des Widerspruchs" geben kann, und stellt neben der Notwendigkeit individueller und kollektiver Selbstbeschränkung vier Schritte heraus: die Veränderung wissenschaftlicher Erkenntnismethoden, die Selbstorganisation wissenschaftlicher Verantwortung, den permanenten Diskurs von Öffentlichkeit und Wissenschaft sowie "Ökoprotest" als Ausdruck zivilen Ungehorsams. Grundlagen für eine neue Rechtskultur werden in der Schöpfungstheologie und in alternativ-ganzheitlichen Erkenntnismodellen (Jantsch, Cramer, Lorenz, Portmann, J. u. Th. v. Uexküll sowie Goethe) ausgemacht. Dass wir wahrscheinlich - aber nicht notwendigerweise - damit fortfahren werden, "unter sensibelster Beschwörung der Selbstorganisation mit Chemie, Atomtechnik und Gentechnik weiter in das Reich des Lebens einmarschieren und es furchtbar (zu) okkupieren", zeigt Altner vor allem im abschließenden Kapitel: Konkrete Handlungsfelder von der Landwirtschaft und Tierhaltung, der Entwicklung einer "sozialen Chemie" und ressourcenschonender (Energie) Wirtschaft bis hin zur Solidarität mit Ungeborenen, Behinderten und Sterbenden - machen deutlich dass das Verhalten jedes einzelnen zum Prüfstein einer Bioethik wird, der es ernsthaft um die Korrektur globaler (Selbst)Zerstörung zu tun ist. Bioethik Ökophilosophie
Altner, Günter: Naturvergessenheit. Grundlagen einer umfassenden Bioethik. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1991. 319 S., DM 29,80 1 sFr 25,30 I öS 232,40