Frieden machen

Ausgabe: 1997 | 2

Vielfältig und durchaus unterschiedlich sind die Herangehensweisen an die Fragestellung des "Frieden Machens" dieser insgesamt 29 Aufsätze, die Fragen der internationalen Diplomatie ebenso thematisieren wie konkrete Konfliktlösungsmodelle. Gemeinsam ist ihnen die Einschätzung, daß dem Zusammenwachsen der Welt durch wirtschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Verflechtungen zum einen der Zerfall staatlicher Strukturen, wirtschaftlicher Degression (etwa Afrika) und die Renaissance ethnonationalistischer Bewegungen zum anderen gegenüberstehen. Vehement kritisiert etwa Ernst-Otto Czempiel die gegenwärtige Strategie der NATO-Osterweiterung." Wo sind die Mittel, Strategien und Instrumente, die nicht auf Eindämmung, sondern auf Integration, nicht auf Verteidigungsallianzen, sondern internationale Organisationen, kurz, nicht auf Sicherheit, sondern auf Frieden ausgerichtet sind?", so die Frage des emeritierten Professors für Politikwissenschaften. Anschaulich beschreiben Dirk Messner und Franz Nuscheler die Notwendigkeit einer "Weltordnungspolitik", die für sie das Zusammenwirken vieler Akteure - von Kommunen und NGOs über Staaten und Gewerkschaften bis zu den internationalen Organisationen - erfordert, also nichts mit einer "Weltregierung" zu tun hat. Beeindruckend ist auch das Insistieren Rainer Tetzlaffs auf die Universalität von Menschenrechten, wobei ihm Aktivistinnen wie Ken Saro-Wiwa, Rigoberta Menchü oder die burmesische Generalsekretärin der "National League for Democracy", Aung San Suu Kai, als authentische Zeugen einer weltweiten Bewegung dienen. Ein eigenes Kapitel ist der Rolle gesellschaftlicher Akteure in der Konfliktregelung gewidmet etwa durch inoffizielle Diplomatie oder die Stärkung von Menschenrechtsund Friedensgruppen in Konfliktgebieten, eine Strategie, die etwa Adam Curie, britischer Friedensforscher und Quäker. aus der Sicht eigener Erfahrungen in Rhodesien und Bosnien-Herzegowina beschreibt. Freilich werden auch die Grenzen dieser Vermittlungsversuche gesehen und - wie im Falle des Krieges im ehemaligen Jugoslawien (er wird mehrfach thematisiert) - auch entschlossener militärischer Druck von außen gefordert (Erhard Epplers Ausführungen zur "Bändigung der Gewalt als politische Aufgabe" sind in diesem Zusammenhang als Aufforderung zur Weiterentwicklung des Pazifismus zu lesen).  

Der Herausgeber selbst, Dieter Senghaas, entwirft schließlich ein Bündel von Bedingungen friedensstabiler ”Vergemeinschaftung", in der positive Interdependenzen ebenso wie annähernde Symmetrie der Beziehungen, so auch der wirtschaftlichen Niveaus, (hier schließt er an Czempiels Forderung der politischen und ökonomischen Integration Gesamtseuropas und Rußlands an) entscheidende Faktoren darstellen. H. H.

Frieden machen. Hrsg. v. Dieter Senghaas. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1997. 584 S.,DM / sFr 34,80 / öS 273