Einen dezidiert kritischen Blick auf die Islam-Rezeption des Westens wirft Werner Ruf [Jg. 1937], von 1982-2003 Inhaber eines Lehrstuhls an der Universität Kassel mit den Schwerpunkten internationale und intergesellschaftliche Beziehungen. Ruf sieht den vom Westen inszenierten „Krieg gegen den Terror“ als „gegenzivilisatorisches Projekt“ (vgl. S. 22ff.), betont die grundsätzlich respektvolle Haltung des Islam gegenüber Juden- und Christentum und arbeitet zugleich überzeugend die Grundzüge des radikalen Fundamentalismus heraus, der auf die Wiederherstellung des ursprünglich von Mohammed erlassenen Gesetzes zum Ziel hat. Ausführlich – und darin liegt einer der wesentlichen, vielfach nicht reflektierten Aspekte der aktuellen Entwicklung – kommt Ruf auf die strategische Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens als einzige Region mit noch nennenswerten Erdölressourcen zu sprechen und erläutert die damit verbundene NATO-Strategie. Historisch argumentierend, hält Ruf die These der jüdisch-christlichen Tradition des Abendlandes für zumindest fragwürdig und sieht die Judenverfolgung des europäischen Mittelalters und die nun aufbrechende Stimmung gegen den Islam als „zwei Seiten einer Medaille“(vgl. S. 74ff.). Ein eigenes Kapitel widmet Werner Ruf der „Islamhetze“ und ihren Akteuren (wobei das Spektrum von Ralph Giordano, Thilo Sarrazin und Henryk M. Broder über den an dieser Stelle schon erwähnten Hamad Abdel-Samad bis hin zu den eher links orientierten „Antideutschen“ reicht). Dass im Zeichen des neuen Antiislamismus die europäische Rechte die Freundschaft zu Israel entdeckt und im Kampf gegen die Islamisierung die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Toleranz untergraben werden, sind weitere, ernstzunehmende Argumente, die eine breite Öffentlichkeit und (selbst)kritische Überprüfung verdienen.
Zur Rolle des Erdöls als Motiv für das Engagement des Wesens im Nahen Osten und zum Zusammenhang mit 9/11 s. auch Daniele Ganser auf You Tube zu seinem Buch „Europa im Erdölrausch“. Walter Spielmann
Ruf, Werner: Der Islam – Schrecken des Abendlands. Wie sich der Westen sein Feindbild konstruiert. Köln: PapyRossa-Verl., 2014 (2. Aufl.). 141 S., € 11,90 [D], 12,30 [A], sFr 12,80
ISBN 978-3-89438-484-5