Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft: Erwerbsarbeit wird knapp

Ausgabe: 1994 | 2

Während im Jahr 1975 zur Herstellung eines Fernsehgerätes 80 Arbeitsstunden nötig waren, sind es heute nur mehr zwei. Die Frage, was geschieht, wenn in einer modernen Gesellschaft die Erwerbsarbeit knapp wird, ist aktueller denn je. Abgehandelt wurde sie bei den Frankfurter Römerberggesprächen '93, die der vorliegende Band dokumentiert. Die Antworten waren facettenreich und rührten - "bei Einigkeit darüber, dass Erwerbsarbeit immer noch die Eintrittskarte in die „Normalgesellschaft" darstellt - dennoch an den Grundfesten herkömmlicher Arbeitsmoral.

Aus demographischer Sicht werde das Arbeitskräfteangebot im Deutschland des Jahres 2010 um 30 % gesunken sein, prognostiziert der Volkswirtschaftler Bert Rürup. Die Arbeit der Zukunft gestalte sich daher nicht nur "inhaltlich qualifizierter, komplexer und informationsverarbeitungsorientierter", sie werde auch von einer "weiblicher", älter" und "ausländischer" werdenden Erwerbsbevölkerung ausgeführt werden. Mit anderen einig ist er sich über die drastische Verringerung der Wochenarbeitszeit bei einer längeren Lebensarbeitszeit und der Flexibilisierung der Arbeitsrhythmen.

Friedhelm Hengsbach, Professor für Wirtschaftsethik, sieht in der sich verfestigenden Massenarbeitslosigkeit eine Gefahr für die Demokratie und fordert - wie Wolfgang Thierse - von der Politik Rahmenbedingungen für eine neue Vollbeschäftigung. Unter seinen Vorschlägen findet sich die beschäftigungsneutrale Finanzierung der Sozialleistungen durch Ankoppelung an die erzielten Gesamteinkommen der Unternehmen (Abkehr von der Lohnsumme als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge). Mehrfache Zustimmung erfährt die Etablierung eines "zweiten Arbeitsmarktes" öffentlich geförderter Beschäftigungsverhältnisse im sozialen oder gesellschaftlich innovativen Bereich.

Einmal mehr überzeugend stellt Ernst U. v. Weizsäcker eine ökologieverträgliche Umgestaltung der Wirtschaft vor, die der enormen Steigerung der Arbeitsproduktivität in diesem Jahrhundert jene der Energieproduktivität folgen lässt. Wie Dieter Kramer in seiner interessanten Zusammenfassung der Römerbergespräche plädiert auch v. Weizsäcker für eine Neubelebung der Eigenarbeit - "Quartarisierung" ist der neue Begriff, individualisierte Lebensmuster und originelle Tätigkeitskombinationen aus Erwerbs- und Eigenarbeit sollen ihn füllen.

H.H.

Arbeit ohne Sinn? Sinn ohne Arbeit? Über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Hrsg. v. Hilmar Hoffmann ...

Weinheim: Beltz, 7994. 788 S., DM 34,- / sFr 373,30/ ÖS 265,-