Ein polemisches Handbuch zur Entwicklungspolitik

Ausgabe: 1993 | 3

Der Titel deutet es an: Schonungslos werden das Versagen, die Phantasielosigkeit und festgefügte Dogmen der Entwicklungspolitik aufgedeckt, "damit wir uns Vorstellungen von einer neuen Ära nach dem Ende der Entwicklungskonzepte machen können". Diese waren für den Herausgeber Wolfgang Sachs von Anfang an ein "verdeckter Plan zur Verwestlichung der Welt", den man schließlich "als Irrweg der Geschichte begreifen" wird. In den vorliegenden Essays spüren Autorinnen aus Süd und Nord den Grundbegriffen und Beschränkungen der entwicklungspolitischen Diskussion nach.   In einer neuen Gesellschaft geht es nach A. Rahnema darum, "mehr zu sein" und nicht "mehr zu haben". C.D. Lummis stellt klar, daß nicht die Armen, sondern die Reichen der Welt durch ihre Unmäßigkeit das Problem sind. Nach G. Esteva soll jeder seinen eigenen Träumen folgen und nicht dem geborgten Traum von der Entwicklung. Kritik am Fortschrittsglauben übt J.M. Sbert, den er als eine Illusion mit überragender Bedeutung bezeichnet. Und V. Shiva problematisiert die Theorie der" Nachhaltigkeit", weil diese lediglich dazu diene, den Nachschub an Rohstoffen für die Industrieländer zu sichern I. Illich bezeichnet in seinem Aufsatz die Idee der "Grundbedürfnisse" als die vielleicht schlimmste Hinterlassenschaft des Entwicklungsdenkens. Der Begriff "Bedürfnisse" werde lediglich dazu benutzt, die Verwaltung der Bürger zu umschreiben, "die längst begrifflich neu gefaßt sind - als Subsysteme innerhalb einer Bevölkerung". M. Gronemeyer sieht in der Entwicklungshilfe "die Perversion der Hilfsidee auf die Spitze getrieben". Auch "Hilfe zur Selbsthilfe" rühre nicht an der Grundidee, daß alle Welt entwicklungsbedürftig sei. O. Ullrich bezeichnet den Technologie- und Wissenstransfer schlicht als neue Stufe des "westlichen" Imperialismus. Er bringt zudem einen interessanten Aspekt mit der inneren Kolonisierung der europäischen Kulturen in Form der zentralen Arbeitshypothese des ·Industrialismus zur Sprache. Hans Sachs beklagt, daß bei der Umwelt als globale Herausforderung selten von kluger Selbstbeschränkung die Rede ist. Diese Pflichtlektüre für "Entwickler", Helfer, Entscheidungsträger u.a. glänzt nicht wie im Titel angedeutet durch Polemik, sondern durch fundierte Information über entwicklungspolitisch relevante Themen v. a. auch aus der Sicht des Südens. A.A.

Wie im Westen so auf Erden. Ein polemisches Handbuch zur Entwicklungspolitik. Hrsg. v. Wolfgang Sachs. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 1993. 478 S. (rororo Handbuch; 6343) DM 24,90 / sFr. 21,10/ öS 194,20