Das Ende der Demokratie

Ausgabe: 2017 | 3
Das Ende der Demokratie

Wir erinnern uns an Harald Welzers Einschätzung in seinem Bestseller „Die smarte Diktatur“, jene vieldiskutierte Abhandlung über unseren Weg in die Unfreiheit, in der v. a. die totalitäre Macht der Internetkonzerne anprangert werden. Ähnlich argumentiert Yvonne Hofstetter in „Das Ende der Demokratie“. Die Juristin und Software-Unternehmerin kritisiert vor allem, dass wir uns von künstlicher Intelligenz entmündigen lassen. In einem Interview warnt sie vor dem Gefährdungspotential in Bezug auf die Souveränität des Individuums durch die Benutzung von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen (in ttt v. 25.9.2016 „Wie uns künstliche Intelligenz entmündigt“). Bei Facebook etwa zensieren automatisierte Programme Inhalte der User. Deshalb konnte eine schwedische Zeitung ein Anti-Kriegs-Foto, auf dem ein unbekleidetes Kind zu sehen war, nicht posten. Die Autorin fürchtet sogar, dass der „Mensch im 21. Jahrhundert bereit sein könnte, die demokratisch formalisierte Rechtsordnung auf dem Altar der Digitalisierung zu opfern“ (S. 365). V. a. seien es die amerikanischen IT-Konzerne, die den Menschen als unvollkommene Maschine, mittelfristig als Auslaufmodell, als ein Ding unter Dingen im „Internet of Everything“, betrachten. Im Gegensatz zu den Verfassungen der europäischen Nationalstaaten räumt nämlich die amerikanische Verfassung dem freien Handel Priorität vor der Menschenwürde ein, im Sinne einer Freiheit, die zuallererst die Freiheit vom Staat meint. Genau das erlaubt es den IT-Konzernen, Staat und Gesellschaft nach dem eigenen Geschäftsmodell umzuprogrammieren. Deshalb, ist die Autorin (wie Harald Welzer) überzeugt, steuern wir geradewegs auf die Diktatur der amerikanischen IT-Konzerne zu.

Hofstetter zeigt, wie wir uns so bereitwillig von Maschinen entmündigen lassen. Nehmen wir beispielsweise das Smartphone. Durch dessen Nutzung lassen sich Gewohnheiten berechnen und Profile erstellen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, „in unser Leben, in unsere Souveränität einzugreifen, weil uns diese Gesamtumgebungsintelligenz, wie wir das in der Forschung nennen, immer einen Schritt voraus sein wird“, erklärt sie (siehe Interview in ttt). Durch die Massendatenanalyse kann somit der nächste Schritt, den wir wahrscheinlich tun werden, berechnet werden. Auch Barack Obama hat sich vor seiner Wiederwahl diese Technik zu Eigen gemacht, um ganz gezielte, personalisierte Werbung an seine Wähler zu schicken.

Die Unternehmerin setzt sich dafür ein, dass die Künstliche Intelligenz human und demokratisch beherrschbar bleibt. Hofstetter fordert eine Abkehr von der Gratisnutzung, ein erweitertes Klagerecht gegen Maschinen und den Ausbau des Umgebungsrechts, um uns gegen die antidemokratischen Tendenzen von Google und Co. zu schützen. Sie hofft, dass sich die Veränderung des Informationskapitalismus ähnlich vollziehen wird, wie sich einst die Märkte zum Wohl der Bürger hin zur sozialen Marktwirtschaft wandelten, „wenn sich die ausgehandelten soziotechnischen Infrastrukturen, Innovationen, Technologien oder ökonomischen Prozesse an europäische Grundwerte zurückbinden“ (S. 450). Alfred Auer

Bei Amazon kaufen Hofstetter, Yvonne: Das Ende der Demokratie. München: C. Bertelsmann, 2016. 509 S., € 22,99 [D], 23,70 [A] ; ISBN 978-3-570-10306-7