Wilber, ein führender Vordenker der New-Age-Bewegung, entwirft in seinem soeben erschienenen Buch (Das Spektrum des Bewusstseins. Bern [u.a.]: Scherz, 1987.384 S.) ein interdisziplinäres Modell der Vorgänge im menschlichen Bewusstsein. Bei dem hier besprochenen Aufsatz handelt es sich um den Abdruck der Einleitung des fast 400 Seiten umfassenden Werkes. Den Rahmen seiner Überlegungen bildet dabei die Synthese dessen, »was man im Allgemeinen - und recht verschwommen - als den »östlichen« und -westlichen« Zugang zum Verständnis des Bewusstseins bezeichnet«. Um dies zu verdeutlichen, bedient er sich einer einfachen, allgemeinverständlichen Analogie aus der Physik - dem Farbenspektrum. Die verschiedenen Strahlungen (sichtbares Licht, Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Infrarot-, Ultraviolettlicht, kosmische Strahlen) sind heute als Erscheinungsformen eines Phänomens, der elektromagnetischen Schwingung, bekannt. Ebenso lassen sich seiner Ansicht nach verschiedene Ebenen des Bewusstseins zu einem Spektrum integrieren. Jede Ebene stellt dabei eine bestimmte, Manifestation des Bewusstseins dar »und kann daher nur im Zusammenhang mit anderen das sein, was es ist«. Wilber geht auch auf die Schwierigkeiten der Integration von mystischer Erfahrung und traditioneller Psychologie mit viel Übersicht ein. Gleichzeitig nennt er Beispiele ' für die praktizierte Synthese von Encounter- Techniken und Psychoanalyse. Das Bewusstseinsspektrum umfasst für den Autor drei Ebenen: die Ego-Ebene, die existentielle Ebene und die Ebene des Geistes - wobei differenzierend die transpersonale, biosoziale, philosophische und Schatten-Unterebenen hinzukommen. Die Betrachtung des Bewusstseins in Analogie zum Farbenspektrum hat für Wilber Modellcharakter. Im gelingt es meisterhaft, die bisher unvereinbar geltenden Sichtweisen der Naturwissenschaft und Mystik, Freudscher und Jungscher Psychologie, Meditationslehren und Psychotherapie zu vereinen und in produktiver Verschmelzung ganzheitliches Verstehen zu fördern.
Wilber, Ken: Bewusstsein: Wie die Strahlen im Licht. In: esotera. 1987, NT. 10, S., 24-30, 88