Arbeit und Umwelt im Standort-Poker

Ausgabe: 1997 | 2

Die Massenarbeitslosigkeit ist zum zentralen Thema der politischen Debatten geworden. Wird die ökologische Frage dadurch an den Rand gedrängt? Zählen letztlich Arbeit und Umwelt zu den Verlierern im globalen Standort-Poker? Oder birgt die Transformation der Arbeitsgesellschaft auch die Chance auf nachhaltige Entwicklung? Diesen Fragen wird im Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe der Politischen Ökologie nachgegangen. Einem Überblick über die unterschiedlichen Phasen der Umweltpolitik folgen Analysen über deren Beschäftigungseffekte. Während der klassische Umweltschutz - vom Schornsteinfilter bis zum Recyclinghof noch eindeutige Zuordnungen zuließ (derzeit arbeiten in der BRD an die 950.000 Personen in diesen Bereichen), sind diese im "integrierten Umweltschutz", so die einhellige Meinung, nicht mehr möglich. Denn gefragt sind hier innovative Produktionsverfahren sowie der Übergang von der Produkt- zur Dienstleistungskette, und nicht additive Umwelttechnik. Eindeutig liegt die Bilanz im Bereich der Landwirtschaft, in der in den letzten 10 Jahren eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Allein der flächendeckende biologische Landbau könne, so der Landschaftsplaner Ulrich Häpke. diesen Trend umkehren. Er spricht von 150.000 neuen Arbeitsplätzen und fordert die Ausrichtung der Förderprogramme an der Zahl der Beschäftigten statt wie bisher an Flächenumfang und Tierbestand. Die weiteren möglichen Auswegen aus der Beschäftigungskrise gewidmeten Beiträge setzen durchaus unterschiedliche Akzente. Während etwa Hans K. Schneider, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des BMfW, eine Verbindung von "mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und mehr Umweltschutz" für möglich hält, plädiert der Konsumtheoretiker Gerhard Scherhorn für die erneute Aufwertung der informellen Arbeit: Vollzeitarbeit habe den allgemeinen Wohlstand nicht nur gefördert, sondern in gewisser Weise auch gefährdet, "weil sie die Möglichkeiten der Selbstversorgung fast auf Null reduziert hat". Ähnliches hat Babette Scurell von der Stiftung Bauhaus Dessau im Sinn, wenn sie nicht nur eine "Aufwertung der Versorgungsarbeit" fordert, sondern auch deren Überantwortung an lokale Gemeinschaften (nach dem Vorbild von Elterninitiativen oder Selbsthilfegruppen), Auf diesem Weg geschaffene Arbeitsplätze sollten ähnlich wie das private Dienstpersonal von der Steuer abgeschrieben werden können. Der Ökonom Hermann Hartmann warnt mit Blick auf die Politik vor der Überschätzung der Globalisierungszwänge. Er schlägt einen Strategienmix aus neuen Arbeitszeitmodellen und Beschäftigungsoffensiven, etwa durch die Förderung regionaler Märkte, vor. Der Öko-Institut-Mitarbeiter Dieter Seifried verweist schließlich darauf. "daß die Produktivkraft Arbeit nicht nur gestaltend, sondern auch zerstörerisch wirkt" und plädiert folgerichtig für weitere Arbeitszeitverkürzungen im Tausch gegen Nullohnrunden. Seine Nachhaltigkeitsempfehlung: "Wer später kommt, darf früher gehn." Hinweise auf einschlägige Initiativen, Forschungsprojekte sowie weiterführende Literatur schließen diesen informativen Themenschwerpunkt ab. H. H.

Ausgespielt? Arbeit und Umwelt im Standort-Poker. Themenschwerpunkt. In: Politische Ökologie. 1997. Nr. 50, S. 22-70