Zukunftsforschung - neue Herausforderungen

Ausgabe: 1998 | 1

Daß Tagungsprotokolle dem Legitimationsbedürfnis des Veranstalters und der Eitelkeit der Vortragenden oft dienlicher sind als einer fundierten bzw. richtungsweisenden Erörterung ihres Gegenstandes, ist auch durch Ausnahmen von der Regel nachzuweisen. Der hier vorgestellte Band ist zweifelsfrei der zweiten Kategorie zuzuordnen, und zwar schon deshalb, weil er eine der wenigen Publikationen der jüngsten Zeit darstellt. die Leistungsvermögen und Perspektiven der Zukunftsforschung (ZF) im europäischen Kontext aus erster Hand und hohem Niveau thematisieren. Ein Überblick in Kürze: Hugues de Jouvenel verknüpft die Darstellung der Gruppe ,futuribles' mit grundlegenden Überlegungen zur Differenz von Forecasting (bereichsorientiert, quantitativ, auf Kontinuität ausgerichtet) und ZF (eher global orientiert, quantitativ und qualitativ ausgerichtet, tendenziell auch auf Brüche und Chaos eingestellt); M. Andrieu stellt das Zukunftsprogramm der OECD vor, M Rogers informiert über "Prospektive Studien innerhalb der Europäischen Kommission" und R. Kreibich stellt das Paradigma ”Nachhaltigkeit" als Leitbild der ZF zur Debatte. Der Verfasser dieser Zeilen plädiert zu Ende des Berichts "10 Jahre Robert-Jungk-Stiftung" für internationale Kooperation, um die Vielfalt sozialer Projekte gemeinsam zu eruieren und gesellschaftlich nutzbar zu machen, ein Aspekt, der auch bei J. Leemhuis und seiner Darstellung des "Global Business Network" und Szenario-Entwicklung mit Bürgern Rotterdams auftaucht.

Daß sich jenseits begrenzten öffentlichen Interesses (und entsprechend knappen Zuwendungen) die ZF im Unternehmensbereich längst etabliert hat. belegen die Ausführungen von M. Agerup (Zukunftsstudien in Dänemark), U. v. Rebnitz (Szenario-Technik als Instrument der Unternehmensplanung) und E. Minx (Das Konzept ”Zukunfts-Labor" bei Daimler Benz) ebenso wie Überlegungen zur Wissenschafts- und Technologiepolitik in den Niederlanden (B. v. d. Meulen) bzw. zum Technologiemanagement beim VDI (A. Zweck). Methodisches steuern Mitherausgeber K. Steinmüller mit seinen Überlegungen zu "Wild Cards" als Instrument der Szenario-Technik, D. Sibum (Lebensstil und Nachhaltigkeit) und I. Stoppa-Sehlbach - ebenfalls vom SFZ – bei, die sich mit Bildender Kunst als Element der ZF und -gestaltung auseinandersetzt. Ergänzt wird dieser bunte Strauß von theoretischen Überlegungen zur Disziplin und deren Umsetzung in Westeuropa durch drei weitere Beiträge mit Erfahrungen aus Ungarn und Rumänien sowie den abschließenden Bericht von David Mercer von der Open University Business School in Milton Keynes, UK) über die Ergebnisse einer Befragung von mehr als 1000 Entscheidungsträgern über die Welt in etwa 30 Jahren [Detaillierte Ergebnisse abrufbar über: www.open.ac.uk./OU/ Academic/OUBS/CStrati AD 2000/000.htmll . 

Die kompetente Zusammenfassung durch Tagungsleiter Ch. Zöpel verdeutlicht die Vielfalt der Anforderungen und Möglichkeiten, denen die ZF an der Schwelle zum 3. Jahrtausend gegenübersteht. - Ein wohl unverzichtbarer Band für jene, für die ZF mehr als eine Leerformel ist. W Sp. (Zu bestellen über: Sekretariat für Zukunftsforschung, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen. Tel.: 0209/ 15672800, E-Mail: sfz@wipage.de

Beyond  2000. Zukunftsforschung vor neuen Herausforderungen. Dokumentation der Sommerakademie des SFZ 1996. Hrsg. v Rolf Kreibich ... Gelsenkirchen: Sekretariat für Zukunftsforschung, 1997. 204 S. (WerkstattBericht; 20) DM 40, - / sFr 37, - / öS 292,-