Über den Sozialstaat und einen möglichen Umbau

Ausgabe: 1987 | 3

Die Erkenntnis, dass notwendige gesellschaftliche Veränderung im Zeitalter des hochgerüsteten Technostaats durch Revolution kontraproduktiv, wenn nicht sogar unmöglich ist, hat fortschrittliche Kräfte dazu geführt, den gewaltlosen Umbau zu propagieren. Das vorliegende Buch zeigt in 48 Beiträgen, welche Ansätze es da bereits gibt und welche künftigen Möglichkeiten sich eröffnen. Besonders der dritte Teil, der über die Hälfte des Bandes füllt, ist durch die Präsentation konkreter Möglichkeiten von besonderer Wichtigkeit. Im Abschnitt »Anders arbeiten- wird eine Neubelebung des Genossenschaftsgedankens, eine andere Arbeitszeitordnung angesichts technischer Veränderungen    in der Produktion, eine Verstärkung der »Bildung von unten« geschildert. Die Aufsätze zum Thema »Anders verteilen« beschäftigen sich überwiegend mit den möglichen Wirkungen eines allgemeinen existenzsichernden Grundeinkommens (das in einem Aufsatz des zweiten Teils etwas überpointiert als »kapitalistischer Weg zum Kommunismus« bezeichnet wird). Wie man in naher Zukunft schon »Anders leben« könnte, wird etwas zu eng auf das Gebiet der Familienpolitik begrenzt, während in dem Aufsatzblock »Anders helfen« der Horizont bewusst von der Gesundheits- und Behindertenpolitik zu dem Bild einer grundsätzlich anderen Gesellschaftspolitik erweitert wird. In diesem Zusammenhang hervorzuheben sind die Ausführungen von Fritz Vilmar und Brigitte Runge, die Modelle für eine »Vergsellschaftung des Staates« präsentieren, und von Alf Trojan/Michael Faltis, die in der durch moderne Veränderungsprozesse »bedingten Leere und Vereinsamung« die tieferen Gründe individueller und sozialer Entfremdung und Erkrankung sehen. Um die »Wieder-Belebung zwischenmenschlicher Beziehungsgeflechte« zu erreichen, sei eine »Mobilisierung« der Betroffenen, nicht weniger als die »Aufwieglung zur Gesundheit« dringend notwendig.   Eine wichtige Veröffentlichung, die von dem jungen selbstbestimmten Verlag zu einem erschwinglichen Preis angeboten wird. Schade, -dass so viele Beiträge wegen ihres wissenschaftlichen Jargons gerade denen schwer zugänglich sind, die sie zur Information und Ermutigung am meisten brauchten. Wann werden Sozialwissenschaftler auch einmal sozial schreiben lernen?

Umbau des Sozialstaats. Hrsg. v. Michael Opielka und Ilona Ostner Essen: Klartext, 1987, 487 S. (Perspektiven der Sozialpolitik; 2)