Strukturwandel braucht revitalisierte Lebens- und Naturräume

Ausgabe: 1995 | 2

Die Probleme überalterter Industrieregionen sind bekannt: Betriebsschließungen führen zu hoher Arbeitslosigkeit mit gefährlichen sozialen Folgeproblemen, Industrialisierungsschäden und verminderte Umweltqualität verhindern den Zuzug neuer, zukunftsorientierter Unternehmen. Innovativer Strukturwandel braucht daher mehr als Investitionsanreize für neue Betriebsansiedlungen, er erfordert eine generelle Erhöhung der Standortqualität einer Region. Über die Beseitigung von Industriebrachen hinaus steht die Revitalisierung der gesamten Lebens- und Naturräume zur Disposition. Dieses Ziel wird beispielgebend seit fünf Jahren im Ruhrgebiet über das Projekt ”internationale Bauausstellung Emscher Park" (IBA) in Kooperation mit dem Land Nordrhein-Westfalen verfolgt.

Das ehemalige Zentrum der Montan- und Schwerindustrie weist heute über 260 000 Arbeitslose auf (1970 waren es 12000). Die Ausgaben für die Sozialhilfe sind auf beinahe 2 Mrd. DM pro Jahr gestiegen. Die Bauausstellung Emscher Park geht von einem Konzept der "offenen Planung durch Projekte" aus. Nicht die Reißbrettmethode früherer Jahrzehnte, sondern die Anstiftung zur Innovation durch Unterstützung und Koordinierung konkreter, dezentraler Initiativen mit "Vorbildcharakter" stehen im Zentrum. 85 solcher Projekte sind derzeit entlang der Emscher zwischen Duisburg und Dortmund im Gange. Sie reichen von der Umnutzung alter Industriegebäude und der Ansiedlung von Betrieben auf Industriebrachen über die Revitalisierung alter Wohnsubstanz sowie der Förderung neuer Wohnformen bis zur Rückgewinnung von Naturlandschaften etwa durch die Anlage von Parks.  Der vorliegende Band informiert über die Anliegen von IBA, wobei v. a. grundsätzliche Überlegungen zur Erneuerung von Industrieregionen, die ökologische, industriepolitische und stadtkulturelle Aspekte verbinden, angestellt werden. Rolf Kreibich legt - um ein Beispiel zu geben - den Wandel von den "harten" Standortfaktoren wie Rohstoffverfügbarkeit oder Verkehrsnetzdichte hin zu "weichen" wie Umweltqualität oder Ausbildungsniveaus von Regionen dar und entwickelt Kriterien für zukunftsfähige Standortfaktoren. Zur Sprache kommen aber auch Themen wie soziales Wohnen, ökologisches Bauen oder der Umgang mit Industriedenkmälern. Ein Band, dessen Informationswert somit weit über das gegenständliche Projekt hinausweist.

H. H.

Bauplatz Zukunft. Dispute über die Entwicklung von Industrieregionen. Hrsg. v. Rolf Kreibich ... Essen: Klartext, 1994. 303 S., DM 29,80/ sFr 29,80/ öS 233,