Fiesta - jenseits von Entwicklung, Hilfe und Politik

Ausgabe: 1992 | 3

"Es ist allerhöchste Zeit, ‚Entwicklung' und ,Hilfe' einzustellen", so die provokante Forderung von Gustavo Esteva, einem langjährigen Berater der mexikanischen Regierung und der UNO in Entwicklungsfragen. "Entwicklungshilfe" bedroht und zerstört die Initiative der "Unterentwickelten", warnt der ehemalige Spezialist für modernisierende Wirtschaftskonzepte, der seine "Karriere" abgebrochen und sich Gemeinschaften von Campesinos in ländlichen Gegenden Südmexikos und sogenannten "Marginalisierten" in der Metropole Mexico City zugewandt hat, wo er Lebensformen jenseits des Wirtschaftsdenkens unserer Zeit und der gängigen Vorstellung von "Entwicklung" vorfand. Definition der eigenen Bedürfnisse unabhängig vom Modernisierungsparadigma, Wiederaneignung des eigenen wirtschaftlichen und sozialen Raumes in landwirtschaftlichen Genossenschaften und Stadtteilinitiativen, Produzieren nach Bedarf und nicht nach Kapazitäten, Autarkie statt Abhängigkeit, - so lauten die Leitlinien dieser Graswurzelbewegungen, die in der Subsistenzwirtschaft die einzige Möglichkeit sehen, das Stigma der „Unterentwicklung" abzulegen und ihre Würde wiederzuerlangen. In Gustavo Esteva, der sich selbst einen „deprofessionalisierten Intelektuellen" nennt, haben diese Initiativen einen überzeugenden Sprecher gefunden, wie das vorliegende Buch - eine Sammlung von aus dem Mexikanischen übersetzten Texten - eindrucksvoll belegt. Der Autor stellt dem "homo oeconomicus". der sich in die Abhängigkeit zentralisierter Technologie und Verwaltung begeben hat, den „homo communis" entgegen, der sich in überschaubaren Gemeinschaften selbstorganisiert. Was in mexikanischen Dorf- und Stadtteilgemeinschaften gelungen ist, sieht Esteva als Chance und Hoffnung für alle Regionen des Südens, in denen der Hunger durch moderne "Entwicklungspolitik" und grüne "Revolutionen" institutionalisiert worden sei. Der von Esteva beschriebene „homo communis" hat aber durchaus auch unseren Wohlstandsgesellschaften etwas zu sagen, in denen Produkte und Dienstleistungen immer mehr werden, die Bedürfnisse nach Sozietät aber zusehends zu kurz kommen. H. H.

Esteva, Gustavo: Fiesta - jenseits von Entwicklung, Hilfe und Politik. Frankfurt/M.: Brandes & Apsel (u.a.). 1992. 184 S.