Die deutsche Demokratie und ihre Rechtsradikalen

Ausgabe: 1994 | 1

Der Film „Rosemaries Baby", in dem eine Frau einen kleinen Teufel als Kind gebiert, dient diesem Band als Allegorie für den neuen Rechtsextremismus in Deutschland. Bei aller Empörung der "Musterdemokraten" über neue Hakenkreuze und Gewaltexzesse werde, so die Grundthese, übersehen, dass dies alles dem Schoße der entsetzten demokratisch-pluralistischen Jungfräulichkeit selber entstammt: Die Autoren gehen in der Tat über moralische Entrüstung, aber auch über individualpsychologische Erklärungen hinaus. Sie setzen an bei der ihrer Meinung nach dem Kollaps zutreibenden Krise der Moderne: Zur Entfremdung des modernen Individuums in den Geld- und Warenzwängen komme nun die vermehrte Ausgrenzung aus den ökonomischen Verwertungszusammenhängen aufgrund von Rationalisierung und Auslagerung der Produktion In Billiglohnländer. Dem Weltwarensystem, das nicht der Bedürfnisbefriedigung der Menschen, sondern der Erzeugung von Profit verpflichtet ist, drohe der Zusammenbruch, eine erneute große Weltwirtschaftskrise wird vorausgesaqt. Also Parallelen zu Weimar? Ja und nein. Der historische Faschismus in Deutschland und Italien war - so Robert Kurz und Ernst Lohoff in ihren Beiträgen - Ausdruck und Motor einer "nachholenden Modernisierung" (Abkehr vom Ständedenken, verspätete Durchsetzung der fordistischen Arbeitsgesellschaft), der gegenwärtige Rechtsextremismus falle dagegen in die Phase des Zerfalls der Moderne, habe daher keine Integrationskraft. Gemeinsamkeiten werden gesehen im Unbehagen an der Massenkultur und Atomisierung der Individuen, das unsere pluralistische Demokratie nicht überwinden konnte, da sie selbst der Marktgesellschaft "Marktwirtschaftsdemokratie" die Grundlage abgibt.  Auch wenn Alternativen der Selbstorganisierung jenseits des Geldsystems nur angedeutet werden, etwa im Beitrag von Norbert Trenkle zur Immigrationsdebatte (die Menschen der Dritten Welt sind die größten Verlierer des lediglich nach dem Prinzip der Kaufkraft funktionierenden Weltwarensystems); auch wenn manche Befürchtung als etwas überzogen erscheinen mag, so sind die warnenden Analysen dieser Moderne-Kritik von großem Wert, da sie der Selbstherrlichkeit unserer "Zivilisation" politischer Naivität vorbeugen und sich die Utopie selbstbestimmten Lebens jenseits der Warengesetze nicht nehmen lassen. H.H. 


Rosemaries Babies. Die Demokratie und ihre Rechtsradikalen. Mit Beitr von Robert Kurz

Unkel/Rhein: Horlemann, 1993. (Edition Krisis) 262 S., DM 24,-/sFr 22, 10/öS 187