Der Neue Sozialstaat

Ausgabe: 1992 | 2

Sowohl der keynesianische Ansatz als auch das monetaristische Konzept sind an der Lösung der im Untertitel genannten Problemfelder gescheitert. Wehner analysiert die Widersprüche der derzeitigen Beschäftigungspolitik: Arbeitslosigkeit wird, entgegen der Theorie der Sozialen Marktwirtschaft, in der politischen und gesellschaftlichen Praxis weitgehend akzeptiert. Der Umgang mit den Betroffenen ist in institutionellen Ritualen erstarrt und schließlich stößt diese Politik zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Einen Ausweg aus dem Scheitern der gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik sieht Wehner in einem neuen Grundkonsens des Sozialstaates. Diesen baut er auf John Rawl's "Theorie der Gerechtigkeit" auf. Demnach soll die Gesellschaft alle kollektiven Möglichkeiten ausschöpfen, um die Mindestversorgung ihrer Bürger mit materiellen und sozialen Grundgütern zu optimieren. Erreicht werden soll dies durch die Gewährung einer staatlichen Einkommensgarantie für alle bei gleichzeitiger Risikoprivatisierung im sozialen Bereich. Ebenso sollen tarifliche und gesetzliche Sozialstandards gelockert und individualisiert werden, was zu einer Ausdifferenzierung und Ausweitung des Arbeitsmarktes führen würde. Durch die Gewährung eines staatlichen Mindesteinkommens ohne Einzelfallprüfung könnte ein Großteil der öffentlichen Verwaltungen eingespart werden. Zu finanzieren wäre dieses Mindesteinkommen durch die Streichung sämtlicher   Subventionen, wie Kindergeld, Wohngeld, Bafög, Stahl- und Kohleförderung usw. Eine solche "präventive Beschäftigungspolitik" wäre auch besser geeignet, den permanenten Wandel der Gesellschaft, wie er beispielsweise zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft nötig wäre, in Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik umzusetzen. Der Entwurf Wehners ist überzeugend, der Autor räumt jedoch selbst ein, dass der Widerstand der bestehenden Institutionen gegen eine umfassende Reform des Sozialstaates groß sein dürfte, laufen doch die Vorschläge vielen tradierten Vorstellungen über soziale Werte und politische Mittelwahl zuwider. E. H.

Wehner, Burkhard: Der Neue Sozialstaat. Vollbeschäftigung, Einkommensgerechtigkeit und Staatsentschuldung. Opladen: Westdeutscher Verl., 1992. 240 S., DM 39,- / sFr 33,- / öS 304,20