Demokratie und Globalisierung

Ausgabe: 2015 | 3
Demokratie und Globalisierung

image001Ein weiteres Bedrohungsmoment für die Demokratie geht von der verstärkten Supranationalisierung politischer Ordnung und der wachsenden Abhängigkeit von den globalen Finanzmärkten aus. Diese Feststellung ist natürlich nicht neu, Colin Crouch hat mit dem Begriff „Postdemokratie“ darauf hingewiesen ebenso wie der Soziologe Ralf Dahrendorf in einem „Zeit-Interview“ im Jahr 2002. Der Historiker Andreas Wirsching nimmt sich des Themas aus europäischer Perspektive an, um die Paradoxien der europäischen Gegenwartsgeschichte zu durchleuchten. Die europäische Integration, so die beruhigende These des Autors, bildet ein Instrument, „um den Nationen Europas ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen“ (S. 228). Man bekannte sich zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.

Gleichzeitig lauern dunkle Kräfte der Vergangenheit, nationalistische Rückfälle, Gewalt, imperiale Versuchungen. Die Paradoxien der jüngsten Geschichte zeigen sich deutlich: fortschreitende Einheit bei fortbestehender Vielfalt, ja sogar gesteigerter kultureller Differenzierung. (Vgl. S. 8) Alles in allem geht der Autor aber davon aus, dass die europäische Geschichte von einem mächtigen historischen Trend zur Konvergenz geprägt sei. Mit Blick auf die Folgen einer sich beschleunigenden Moderne in Verbindung mit gesteigerter Komplexität und Kontingenzerfahrung sei die Problemlösungskompetenz des Nationalstaates fast gegen Null gesunken. Dies habe den Bedeutungsverlust klassischer Verfassungsorgane zugunsten informeller Verfahren (Medien, Lobbying) sowie eine Personalisierung (Populismus) zur Folge, schlussfolgert Wirsching.

So bleibt am Ende nur, darauf hinzuweisen, wie dynamisch und zugleich dialektisch die europäische Geschichte seit den 1980er-Jahren verlaufen ist. „Ihre paradoxen Charakteristika sind die permanente Angleichung in der Ungleichheit, Vereinheitlichung bei fortschreitender Differenzierung und neue Desintegration inmitten beschleunigter Integrationsprozesse." (S. 230) Alfred Auer

 Wirsching, Andreas: Demokratie und Globalisierung. Europa seit 1989. München: C.H.Beck, 2015. 245 S.,

€ 14,95 [D], 15,40 [A] ; ISBN 978-3-406-66699-5