Zukunft: Regionalwirtschaft!

Ausgabe: 2010 | 3

Für eine andere Logik des Wirtschaftens jenseits kurzfristiger Profitmaximierung nach dem Prinzip des billigsten Preises plädieren die AutorInnen eines Bandes „Zukunft Regionalwirtschaft“, der auf Expertisen und Erfahrungen von RegionalentwicklerInnen in der Steiermark, einem ökonomisch und demografisch tendenziell benachteiligten österreichischen Bundesland, basiert. Ausgehend von den ökologischen, sozialen und ökonomischen Krisen unserer „Zuvielisation“ (S. 21) wird ein normatives Konzept einer erneuten Regionalisierung des Wirtschaftens entworfen. Neben einem (kleinen) in den Weltmarkt integrierten High-Tech-Sektor sollten Regionen demnach trachten, wieder bedeutend mehr Wertschöpfung vor Ort zu generieren. Gesprochen wird von einer „Politik der Inwertsetzung“ (S. 22), die über die Steigerung des Bruttosozialprodukts als Wirtschaftsziel hinausweist. „Arbeit vor Ort, Einkommen und Wohlstand vor Ort, Beziehungen und Austausch, genutzte natürliche bzw. erneuerbare Ressourcen, kulturelle Lebendigkeit“ (S. 25) werden als neue Ziele benannt. Die „Endlichkeit und Verletzlichkeit der Erde“, die permanente Zunahme der physischen und sozialen Mobilität sowie die abnehmende Lebensqualität in der spätindustriellen Gesellschaft würden zu einer neuen Sehnsucht nach dem Regionalen führen: das Territorium gäbe als „feststehende Referenz“ und „Identitätsraum“ Orientierung, Nähe werde zum „Qualitätsmerkmal“, Vertrauen und Verantwortungs- übernahme seien im regionalen Kontext einfacher möglich (S. 25), so einige Argumente.

 

 

 

Industriegesellschaft am Ende?

 

Die AutorInnen plädieren für einen „umfassenden Wandel“: Während die Industriegesellschaft von Rohstoffausbeutung, Konsum, Wachstumszwang und Verzweckung der Arbeit zum Mittel gekennzeichnet sei, würde die „Wertekulturgesellschaft“ geprägt von immateriellem Reichtum, sinnvoller Arbeit, Zufriedenheit und regionaler Verwurzelung.  Das Festhalten am „Gerüst der Industriegesellschaft“ sei zu kostspielig und teuer, denn derzeit behandelten wird „Probleme auf höchstem Niveau mit enormen Aufwand“ (S. 27), ohne tatsächlich weiter zu kommen, wie etwa die Verschuldungsdynamik bei gleichzeitiger Reichtumsakkumulation am anderen Gesellschaftsende zeige. Gesprochen wird von einer Negativspirale der Lebensqualität, von einer neuen „seelischen Not“ (S. 64), die die europäischen Gesellschaften erfasst habe, von einem „Burn Out“, das von der modernen „Monaden-Existenz“ (S. 71) herrühre. Notwendig sei daher eine neue „gesellschaftliche Programmatik“, eine neue Vorstellung einer positiven Zukunft: „Aus der Vision heraus zu arbeiten heißt, sich präventiv einer Zukunftsvorstellung zu widmen – also bereits jetzt das zu tun, was in Zukunft getan werden muss.“ (S. 27).

 

 

 

„Tun mit anderen“

 

Leben als „Tun mit anderen“ (S. 71), die Entwicklung einer Regionsverbundenheit und einer „regionalen Konsumentenverantwortung“ (S. 115) sowie der Aufbau einer „kulturellen Ökonomie“ (S. 36), in der das BIP durch ein LQP („Lebensqualitätsprodukt“ S. 27) ersetzt wird, heißen die Bausteine der neuen Regionalwirtschaft. Dabei wird freilich nicht von vollständiger Autonomie geträumt. Viel wäre bereits erreicht, so die AutorInnen, wenn die Bruttowertschöpfung der Regionalwirtschaft von derzeit 25 wieder auf über 50 Prozent gehoben würde (S. 41f). Da etwa die Hälfte der Wirtschaftstransaktionen zwischen Unternehmen getätigt werden – je 25 Prozent werden den privaten und öffentlichen Haushalten zugeschrieben – erfordere dies auch ein neues Regionalbewusstsein der lokalen Wirtschaftstreibenden, denen mehr Kooperation nahegelegt wird.

 

Und vorgeschlagen werden schließlich auch neue regionale Finanzierungsmodelle etwa nach dem Modell des Schweizer Wirtschaftsrings (WIR), „denn Finanzdienstleistungen führen heute in Summe zwischen 20 und 40 Prozent des wirtschaftlichen Ertrags ab“ (S. 43). Selbstverständlich wird auch die Energie- und Rohstoffwende zur Aufwertung des Regionalen beitragen: „Eine Gesellschaft, die das nicht als politischen Grundsatz erkennt, wird in Zukunft zu den Verlieren gehören und keinen Handlungsspielraum  zurückgewinnen.“ (S. 44) So müsse keineswegs der Zukunftsweg allein in der Dienstleistungsgesellschaft gesehen werden: „In der Regionalwirtschaft können insbesondere produzierende Bereiche wesentlich zur Dynamisierung genutzt werden: Lebensmittel, Energie und Handwerksgüter.“ (S. 41)

 

Resümee: Wirtschaften dem alleinigen, kurzfristigen Kostenkalkül zu entziehen, erscheint manchen wohl zunächst als realitätsfremd oder gar naiv, die im vorliegenden Band entworfenen Zukunftsbilder eines anderen Wirtschaftens und Lebens können (und sollen) jedoch angesichts der kumulierenden Krisen an Attraktivität gewinnen. Im Zentrum stehen dabei – dies zeigen die Beiträge des Bandes – Menschen, die sich zusammentun und an etwas Gemeinsamem arbeiten. H. H.

 

Zukunft: Regionalwirtschaft! Ein Plädoyer. Hrsg v. Christian Eigner … Innsbruck u.a.: Studienverlag, 2009. 356 S. € 29,00 [D], € 29,90 [A], sFr 49,00

 

ISBN 978-3-7056-4807-6