Die strategische (Ohn-)Macht der Friedensbewegung

Ausgabe: 1990 | 2

Zu Beginn der 80er Jahre konstituierte sich die Friedensbewegung als größte basisdemokratische Massenmobilisierung der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ihr gelang es, dass "in einem langfristig angelegten Meinungsbildungsprozess das Undenkbare - ein möglicher Krieg und damit die eigene Vernichtung - denkbar gemacht" und der Wissensstand um Bedrohung und Sicherheitspolitik popularisiert wurde. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf den Koordinationsausschuss (KA) der Friedensbewegung als jenes Gremium von 30 sehr heterogenen Organisationen und Gruppen, das - so die These des Autors - die Friedensbewegung nachhaltig geprägt hat. Analysiert werden die Gremienpraxis und die zentralen Konfliktlinien zwischen den beteiligten Organisationen in den Jahren 1981-1985. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in 30 Thesen zusammengefasst. Der KA wird als konkurrenzlose Bewegungsorganisation herausgearbeitet, und somit der Weg von der Massenmobilisierung bis zur Auszehrung nachvollziehbar. Überzeugend gelingt es dem Autor, die partizipatorischen Leistungen und Öffentlichkeitserfolge, aber auch die negativen Seiten zu bilanzieren. Besondere Defizite werden im Fehlen langfristig angelegter und durchdachter Strategien ausgemacht, denn ohne überzeugende Ideen und schlüssige Programme schwindet die Bindungsfähigkeit der Bewegung. Nach jahrelangen Erfolgen, aber auch Niederlagen kam der KA nach Austritt von "Aktion Sühnezeichen" in eine tiefe Krise, die schließlich seine Auflösung am 29.9.1989 und die gleichzeitige Gründung einer "Friedenskooperative" zur Folge hatte. Die Wirkungen und Resultate der Friedensbewegung werden u.a. hinsichtlich einer politischen Klimaveränderung und in einer Forcierung der sicherheitspolitischen Debatte gesehen. Die Perspektiven liegen in der Hinwendung (von einer Verhinderungs-) zu einer Gestaltungsmacht. Als "Dauerfaktor" - ihre Fragen, Forderungen und Vorschläge sind unbeantwortet, ungelöst und unbewältigt - kann sie an neuen Themen und Bedrohungen erneut Mobilisierungsschübe entzünden: "Die Friedensbewegung bleibt als Zukunftsfaktor, als Mahner und Anreger zur Bewältigung des alle Menschen bedrohenden Problems ,Frieden und Abrüstung' erhalten." Friedensbewegung: BRD 

Leif, Thomas: Die strategische (Ohn-)Macht der Friedensbewegung. Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen in den achtziger Jahren. Opladen: Westdt. Verl., 1990. 3545., DM 58,-1 sFr 52,-1 öS 452,40