Der Facebook-Effekt

Ausgabe: 2011 | 1

Der kanadische Computerwissenschaftler David Kirkpatrick schwärmt vom sozialen Netzwerk „Facebook“, dessen Gründer ihn hinter die Kulissen des Unternehmens blicken ließ. Er sieht darin das Potenzial, „damit ganz normale Leute politische Aktivisten werden können“. Längst ist aus einer kleinen Studenten-Plattform ein Massenphänomen geworden. Für den Experten war der atemberaubende Erfolg von Facebook nur möglich, weil ihr Gründer Mark Zuckerberg von einer Vision getrieben ist und daran glaubt, dass der Trend zu immer mehr Transparenz auf der Welt die treibende Kraft sein könnte, die im Laufe der kommenden 10 oder 20 Jahre die größten Veränderungen bewirkt (vgl. S. 357). Und das bedeutet: Er ist überzeugt, dass den Leuten ihre Privatsphäre nicht mehr so wichtig ist wie in der Vergangenheit, „dass viele Dinge immer offener gezeigt werden, dass es aber auch vieles gibt, was nicht jedem zugänglich ist“ (S. 358). Die Befürworter dieser Entwicklung sehen darin einen wahren Kulturwandel, denn die Facebook-Generation geht mit persönlichen Daten einfach freizügiger um. Das ist natürlich ganz im Sinne von Facebook, das Daten ebenso braucht wie umgekehrt die User Facebook benötigen. Wie auch immer, Facebook ist nicht nur das größte soziale Netzwerk der Welt, es ist auch nach Google die am häufigsten besuchte Internetseite (vgl. www.faz.net, F. Haupt: Mein Kumpel Mark Zuckerberg).

Vision „Emanzipation“

Kirkpatrick gibt einerseits einen detaillierten Überblick über die Gründung, Entwicklung und gesellschaftliche Einflussnahme von Facebook, andererseits wird er nicht müde, auf die hehren Ziele des Gründers hinzuweisen. Neben dem bereits erwähnten vermeintlichen Schutz der Privatsphäre, neben Transparenz, Offenheit und massenhafter Verbreitung von Informationen ist es vor allem Zuckerbergs Vision, „den einzelnen Menschen zu emanzipieren“, was nach Ansicht des Autors den „Facebook“-Effekt ausmacht. Das Wichtigste sei, so Kirkpatrick, „den Menschen Tools zur Verfügung zu stellen, mit denen sie effizienter untereinander kommunizieren und sich besser in einer Welt behaupten können, in der sie von immer mehr Informationen umgeben sind – ganz gleich, was sie tun. Er will den einzelnen Menschen dabei unterstützen, sich gegen große Institutionen in Regierung, Verwaltung und Wirtschaft zu behaupten, die sich immer mehr Ressourcen erschließen, enorme Rechenleistung und riesige Datenbestände“. (S. 364f.) Vor dem Hintergrund dieser euphorischen Einschätzung wird verständlich, dass der Vorwurf, Zuckerberg habe die Idee eines Netzwerks von zwei Kommilitonen gestohlen, nur wenig Raum einnimmt.

Schließlich eröffnet der Blick in die Zukunft Erstaunliches: Wenn nämlich, so der weitreichende Plan des Unternehmens, alles über Facebook läuft wie Internetsuche, E-Mail-Versand oder Telefonie, dann werden immer mehr Informationen von immer mehr Usern miteinander vernetzt. „Facebook automatisiert unsere Kommunikation“, ist Kirkpatrick überzeugt. In einer Rezension auf dem Online-Portal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bringt es Friederike Haupt auf den Punkt: „So stellen sich beim Lesen (…) Faszination und Erschrecken gleichermaßen ein.“

Letztlich kommt es aber auf die User selber an, was sie öffentlich machen wollen und was nicht. Hingewiesen sei an dieser Stelle ausdrücklich auf die Ratschläge im Band „Phänomen Facebook“ (s. u.), in dem der Autor konkret auf die Wahlmöglichkeiten in den Privatsphäre-Optionen eingeht. A. A.

Kirkpatrick, David: Der Facebook-Effekt. Hinter den Kulissen des Internet-Giganten. Hamburg: Hanser-Verl., 2011. 406 S., € 24,90 [D], 25,65 [A], sFr 42,30