Wesen und Wege nachhaltigen Konsums

Ausgabe: 2012 | 2

Der Frage eines nachhaltigen Konsums geht der letzte hier vorgestellte Band nach. Konsum werde „gemeinhin verstanden „als das Inanspruchnehmen von Gütern (Produkten, Dienstleistungen/Infrastrukturen) zur Befriedigung individueller menschlicher Bedürfnisse“ (S. 47). Doch nachhaltiger Konsum müsse das Verhältnis „zwischen dem Begriff des guten Lebens und dem Begriff der Bedürfnisse“ (S. 48) ins Zentrum rücken und beides in den Kontext begrenzter Ressourcen stellen und damit auch „objektive Bedürfnisse“ (Grundversorgung) von „subjektiven Wünschen“ (unter)scheiden, erläutern die Autor-Innen eines interdisziplinären Forschungsprojekts „Neue Wege zum nachhaltigen Konsum“, das im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt wurde. Insgesamt 28 Teilvorhaben wurden im Rahmen des Projekts umgesetzt, zehn davon im vorliegenden Band dokumentiert.

 

Grundsätzlichen Überlegungen über eine „Theorie nachhaltigen Konsums“ etwa mit einer Darstellung unterschiedlicher Theorien sozialen Handelns und Entscheidens folgen Aspekte zu zwei Schwerpunkten. Zum einen werden Fragen des privaten Konsums, „die mit Energieverbrauch einhergehen“ (S. 12), erörtert. Dabei geht es um Alltagsroutinen im Umgang mit Energie ebenso wie um Geräte-Kaufentscheidungen oder die thermische Sanierung von Eigenheimen. Untersucht werden Bedingungen und Veränderungspotenziale in den Bereichen des „Wärme- und Stromkonsums“, etwa Feedback-Instrumente wie Energiebuchhaltungen oder Steuerungsanreize wie „progressive Stromtarife“ (Mehrverbrauch wird teurer, so beispielsweise in Italien). Ein zweiter Fokus wird auf „soziale Innovationen“ gelegt: etwa die bessere Orientierung von Kommunikations- und Bildungsmaßnahmen an den Lebensrealitäten der Menschen, die Beteiligung von NutzerInnen an der Produktentwicklung oder die Chancen des Online-Gebrauchtwarenhandels.

 

 

 

Konsumhandeln

 

Übereinstimmung herrscht in den Analysen, dass es nicht reicht, den Blick auf den Kauf bestimmter Produkte zu richten. Vielmehr gehe es darum, „unter Konsumhandeln Akte der Wahl, des Erwerbs, der Nutzung bzw. des Verbrauchs und der Entsorgung oder Weitergabe von Konsumgütern zu verstehen“ (S. 13). Mehrfach wird Bezug genommen auf soziale Alltagspraktiken bzw. Routinen, die offensichtlich schwer zu verändern sind, sei es im Privatbereich oder am Arbeitsplatz. Die Untersuchungen reichen dabei bis hin zur Frage, ob und wie Umbruchsituationen, z.B. Wohnungswechsel oder die Geburt des ersten Kindes „Gelegenheitsfenster für nachhaltigen Konsum“ (S. 213) eröffnen. Auf den Punkt bringt es das Synthesen herstellende Begleitforschungsprojekt des Herausgebertrios der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie der Universität Bern mit dem Slogan „Wissen bündeln, Wollen stärken, Können erleichtern“.

 

Der Band bietet eine Fülle an theoriegeleiteten Ansätzen zur Erklärung von Konsumhandeln sowie zur Wirkung von Steuerungsinstrumenten, etwa im Zusammenspiel makrostruktureller Trends (Globalisierung, Wertewandel, technische Entwicklungen), mit Leitbildern (z. B. zu Wohnen oder Mobilität), die in sozialen Diskursen vermittelt werden, und Rahmenbedingungen wie Gesetzen und Anreizen (S. 212). Ebenso kommt in diesem Zusammenhang der Durchsetzung von Innovationen von der „Invention“ (Erfindung neuer Ideen) über die „Inkubation“ (Etablierung am Markt in Nischen) bis hin zur „Diffusion“ (Einführung auf breiter Ebene) Bedeutung zu (vgl. S. 366ff.). Die Ausführungen bereichern somit die transdisziplinäre Forschung zu nachhaltigem Konsum insbesondere unter Einbeziehung sozialer Aspekte. Ausgespart bleiben aber (makro)ökonomische Fragen wie der Wachstumszwang profitorientierten Wirtschaftens, der auch zu Fehlakkumulationen von Ressourcen führt (am Markt bestimmt die Kaufkraft, nicht der „objektive Bedarf“ an Gütern, denn sonst dürfte es angesichts der hohen Produktivität keinen Hunger mehr geben) oder auch die Rolle von Werbung, die massiv zu nichtnachhaltigen Konsummustern „verführt“. In diesem Sinne ist dem Wunsch von Angelika Zahrndt im Vorwort zuzustimmen, dass „Konsumforschung erweitert wird um die Frage, wie nicht nur Konsum, sondern auch bewusster Nicht-Konsum zu einer Nachhaltigen Entwicklung beitragen kann“ (S. 10). Hierfür erforderlich ist der mittlerweile an Breite gewinnende Diskurs über Postwachstumsökonomien (s.   in dieser Ausgabe). H. H.

 

 

 

Wesen und Wege nachhaltigen Konsums. Ergebnisse aus dem Themenschwerpunkt „Vom Wissen zum Handeln – neue Wege zum nachhaltigen Konsum“. Hrsg. von Rico Defila … München: ökom, 2012. 491 S. [Ergebnisse sozial-ökologischer Forschung; 13] € 44,95 [D], 46,30 [A], sFr 62,90

 

ISBN 978-3-86581-296-4