Über Nanotechnik

Ausgabe: 1992 | 1

Der Fortschritt der Technik bewegt sich seit Jahrtausenden auf eine immer größere Beherrschung der Materie hin. Seit etwa einem Jahrhundert bauen die Chemiker immer größere Moleküle. Seit Jahrzehnten bauen die Mikrotechniker immer kleinere Geräte. "Nanotechnik" wird eine Technologie molekularer Maschinen sein, die für fast alles eingesetzt werden können. Bisher ist „Nanotechnik" noch vorwiegend eine Idee und eine Forschungsrichtung (die erste Vorschaukonferenz auf Nanotechnik fand 1989 an der Stanford Universität statt), aber es gibt schon erste Forschungskonstruktionen und Ansätze zu regelrechten Konstruktionsentwicklungen. "Die molekulare Nanotechnologie wird eine gründliche und billige Nutzung der Struktur der Materie ermöglichen." Wir müssen diese verstehen, um die künftigen Möglichkeiten der Menschheit zu ermessen. Das industrielle System wird nicht erhalten bleiben, sondern verramscht und wiederverwertet werden. Nicht größerer Reichtum auf Kosten des Planeten ist die Perspektive, sondern "grüner Wohlstand, der aus Prozessen kommt, die so sauber sind wie ein wachsender Baum". Irgendwie ist Nanotechnik eine "monumental naheliegende Idee". Die einzelnen Kapitel befassen sich mit der Welt der Moleküle, mit einer "auf den Kopf gestellten Technik", die auf molekularen Fertigungsprozessen beruht, und mit verschiedenen Entwicklungsvarianten für Nanotechnik. Bald absehbare Anwendungen wie stärkere Materialien und schnellere Computer ("intelligente" Materialien werden z. B. Möbel ermöglichen, die sich auf den verschiedenen Körperbau und die wechselnden Positionen der Benützer einstellen können) werden vorgestellt. Molekulare Produktionsverfahren werden der gesamten Weltbevölkerung einen ordentlichen Lebensstandard verschaffen und die Umwelt wiederherstellen, weil sie den Ressourcenverbrauch minimieren und Boden und Wasser reinigen (die Nanotechnik sollte kleine Raumfahrzeuge möglich machen, die Raum-Müll einsammeln, sie sollte auch Radioaktivität aus strahlendem Abfall entfernen können). Nanomedizin wird der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen, indem sie etwa das Immunsystem beim Aufspüren und Unschädlichmachen unerwünschter Bakterien und Viren unterstützt oder durch Zellmonitorsysteme Runzeln und unerwünschten Haarwuchs verhindert, erkranktes Gewebe entfernt und arthritische Gelenke repariert. Ferner wird eingegangen auf die Grenzen der Nanotechnik, auf Unfallgefahren und Möglichkeiten des Missbrauchs, aber auch auf die mit der Nanotechnik zu gewinnenden Chancen für eine Erneuerung der Welt. Die Darstellung enthält zahlreiche Szenarios, z. B. über krebsheilende Medizin, Taschensupercomputer, Taschenbibliotheken, weltweiten Wohlstand, Normalisierung des Klimas, eine Nanofabrik "Rosen in der Wüste", den Triumph der Optimisten (der Fortschritt nimmt ein halsbrecherisches Tempo an, u.a. entwickelt das Militär eine Riesenmaschine, die alles wiederherstellt), Kirchturmpolitik (Umweltgruppen, Abrüstungsaktivisten und Industrielle behindern die Entwicklung der Nanotechnik) und die internationale technische Konkurrenz (ein isoliertes Japan übernimmt die Führung, gefolgt von Europa, die USA sind abgeschlagen). Der Band, eine aktualisierte und popularisierte Neufassung von Drexlers Original „Engines of Creation: The Coming Era of Nanotechnology" 1986, einem der wichtigsten Zukunftsbücher der 80er-Jahre, enthält viele aufregende Perspektiven. Zur laufenden Aktualisierung geben Drexler und seine Frau Chris Petersen über ihr Foresight Institute in Palo Alto, Kalifornien den Informationsdienst „Foresiqht Update" heraus, der 3-4mal jährlich zu einem Preis von 25 $ erscheint (Postfach 61058, Palo Alto CA 94306). Ein Reader" Nanotechnologie" ist für Frühjahr 1992 angekündigt (Übersetzung: W R.)

Drexler, K. Eric; Peterson, Chris; Pergamit, Gayle: Unbounding the Future: The Nanotechnology Revolution (Zukunft ohne Fesseln: Die Nanotechnik-Revolution). Vorwort von Stewart Brand. New York: William Morrow Verlag, 1991.304 S., 23 $.