Trend-Report 2008

Ausgabe: 2008 | 1

Bereits zum fünften Mal erscheint nun der aktuelle Trend-Report des „Zukunftsinstituts“ von Matthias Horx. Der Blick gilt wie in den Jahren zuvor der Summe gesellschaftlicher Verhältnisse sowie Angelegenheiten des Alltags, der Warenwelt, des Konsums. Der Autor versucht also, ein weites Feld zu überblicken und mögliche zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Im Gegensatz zum renommierten Zukunftsforscher Pero Micic, der Zukunft grundsätzlich nicht für vorhersagbar hält, glaubt Horx, dass man Zukunft im Gegensatz zu Trends (das sind Veränderungsbewegungen, die im Hier und Heute stattfinden!) teilweise voraussagen kann. Und er betont ausdrücklich, dass die Trendforschung mit der Zukunftsforschung zwar verwandt, aber keineswegs identisch ist. Vermeintlich selbstkritisch reflektiert er auch die von im selbst immer wieder strapazierten Wort-Phrasen wie beispielsweise „Cocooning“ (erfunden von der amerikanischen Trendforscherin Faith Popcorn) nach dem Motto: Gab es das nicht schon immer? Mit dem bereits genannten Pero Micic geht er davon aus, dass wir ein justiertes Radarsystem zur richtigen Einordnung von Trends benötigen, um nicht bei jeder kleinen Mode gleich einen Hype – also aus einer Mücke einen Elefanten – zu machen. Zumindest aber sollten einige „Zeichen der Zeit“ erkennbar sein, nach denen Geschäfte, Strategien oder einfach nur Gedanken ausgerichtet werden können.

 

„Health Campaigning“ wird nach Ansicht des Autors ein großes Thema der kommenden Jahrzehnte werden. Dabei handelt es sich um jene im Gefolge der Ächtung des Rauchens in öffentlichen Gebäuden und Restaurants ablaufende Entwicklung, die auch andere Verhaltensmuster erreichen wird: „Fettreiche Speisen, Alkopops, sitzendes Verhalten, eine stressorientierte Lebensweise“ sind einige mögliche Ziele solcher Kampagnen. Ein weiteres Schlagwort im politischen Bereich ist Public Privat Partnership (PPP): Immer dann aktuell, wenn die Stadtkassen leer sind, ergeht es dem PPP wohl ähnlich wie der Aufforderung zu Bürgerarbeit bzw. zu freiwilligen Diensten an der Gemeinschaft. Unsere Gesellschaft würde ohne

 

ehrenamtliches Engagement gar nicht funktionieren, Festivals oder verschiedene künstlerische Aktionen würden ohne Mäzenatentum nicht zustande kommen.

 

„Carbon-Kult“ nennt der Trendforscher jene Entwicklung, die die Klimakatastrophe zur neuen „Weltrettungs-Religion“ werden lässt. Er vergleicht die aktuelle Ära mit ähnlichen Entwicklungen zu Zeiten des Widerstreits zwischen Kommunismus und Sozialismus im frühen 20. Jahrhundert, dem Nationalismus im 19. Jahrhundert oder der Idee der Aufklärung im späten 18. Jahrhundert. Auch ihnen war eine „mentale Gleichrichter-Funktion“ inhärent, die sowohl die Ebenen des Alltags und des „Lifestyle“ als auch die Tiefenschichten von Kultur, Politik und Wirtschaft umfasste. Im Namen der Klimakatastrophe entwickle sich nun von Neuem „eine fundamentale Kollektiv-Ideologie mit teilweise irrationalen Zügen und einem gewaltigen Impact auf Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft“ (S. 44). Der Verweis des Autors auf die in amerikanischen Zeitschriften angebotenen „Klima-Rettungs-Rezepturen“ mag zwar stimmen, ganz ernst zu nehmen sind aber gerade in Sachen Klimaschutz die Aktivitäten und das Engagement in Übersee nicht. Horx hält die Klimakatastrophe aber ohnehin für eine europäische „Erfindung“, gekoppelt mit dem Pathos eines übermächtigen Gegners, wie ihn Hollywood zu inszenieren versteht. Bedenkenswert ist die Interpretation der Klimakatastrophe als eine Idealangst, „die für jeden Einzelnen ein Minimum an Verbindlichkeit, aber ein Maximum an Pathos bereithält“. „Anders als der Kampf gegen den Terrorismus, der immer abstrakt, vergeblich und fern bleibt, kann hier der technische Mythos eine Renaissance feiern. Zukunft wird wieder machbar, und der Einzelne kann seinen Beitrag durch Verhaltensaspekte leisten“ (S. 47) oder wie früher zu Zeiten des Ablasshandels, sich einen „Ablassbrief“ für verursachte C02-Emissionen kaufen. (Eine Liste solcher Anbieter finden Sie unter www.oekofieber.de).

 

Zweifellos aber wird der Klimawandel zum Big Business. Bis 2030 erwarten Analysten, so Horx, jährlich rund 1 Billion Euro Umsatz dadurch.

 

Weitere Trends wie „Boy Scouting“, die Suche nach „positiver männlicher Jugendlichkeit“, die „Kreative Klasse“, die über die Zukunft der Städte entscheidet, oder der Siegszug der „spirituellen Technologie“ und der Abschied vom technischen Maximierungsdenken gesellen sich zu „Brain Business“, zum Boom im privaten Bildungssektor oder zu den „Soziopreneuren“, jenen Unternehmern, die mit gesellschaftlichem Engagement, Freude an der Arbeit und Geldverdienen eine neue Symbiose schaffen.

 

Die hier gleichfalls propagierte „Bike-Mania“ dürfte dem Blick über den Tellerrand (global gesehen) nicht standhalten. China, einst das Volk der Fahradfahrer, hat längst die Lust am Autofahren entdeckt. 2006 wurde Japan als der nach den USA zweitgrößte Automobilmarkt der Welt überholt und der Boom in Chinas Autoindustrie hält an. Schließlich sei noch auf die vorhergesagte „Ära der Avatare“ hingewiesen, die als Trend zur Multi-Identität, zur Weltsimulation und als Produkt der Erlebnisgesellschaft gesehen werden können. Der Durchbruch der Avatar-Kultur kam mit dem Videospiel ‚Sims’ und fand in der Virtualwelt des ‚Second Life’ mit fast 10 Millionen Menschen ihren Höhepunkt. Inzwischen in Verruf geraten, war es für Horx zumindest der Beginn einer Kulturtechnik, die nun in Web 2.0 ihre Fortsetzung findet. Wie immer bietet der Trend-Report interessante Anregungen, viele Links und eine ansprechende grafische Aufmachung. Lesen Sie selbst. A. A.

 

Horx, Matthias: Trend-Report 2008. Soziokulturelle Schlüsseltrends für die Märkte von morgen. Kelk-heim : Zukunftsinstitut, 2007. 111 S., € 125,- ISBN 978-3-938284-36-0

 

Bestellungen: www.zukunftsinstitut.de