Politisch Handeln.Modelle, Möglichkeiten, Kompetenzen

Ausgabe: 2013 | 2

Politische Bildung und Politikdidaktik stehen in Zeiten von Politik(er)verdrossenheit, Wahlabstinenz und politischem Vertrauensverlust vor großen Herausforderungen. Das Thema der 13. Werkstatt der Bonner Gespräche zur Theorie und Praxis der politischen Bildung galt einem zentralen Thema der politikwissenschaftlichen und -didaktischen Diskussion, nämlich der politischen Handlungsspielräume von PolitikerInnen und BürgerInnen. Es wird auf verschiedene Wege hingewiesen, wie normative Modelle in die Debatte über ein angemessenes Verständnis Politischen Handelns und der Handlungsfähigkeit sinnvoll einfließen könnten. „Zumindest auf den ersten Blick widersprechen viele Thesen aus der Politikwissenschaft dem gemeinsamen Grundimpetus der Politischen Bildung, wonach sich demokratische Handlungskompetenz darin zeigt, dass Menschen ihre gesellschaftlich-politische Umwelt aktiv selbst gestalten. Demgegenüber werden in der Politikwissenschaft die Möglichkeiten des aktiven politischen Gestaltens vielfach hinterfragt.“ (S. 13) Es gehörte aber immer schon zur Zielbeschreibung des Faches, so die Herausgeber, politische Handlungsfähigkeit durch den Unterricht zu fördern. Die Bürger sollen lernen sich einzumischen. Diese unterschiedlichen Zugänge zum Phänomen des Politischen Handelns verweisen bereits auf die vielschichtige Debatte, die in diesem Band bilanziert werden soll.

 

 

 

Den Bürger ernst nehmen

 

Die Beiträge im politikwissenschaftlichen Abschnitt des Bandes versuchen, „bei der Formulierung einer angemessenen Konzeption Politischen Handelns für die Politische Bildung und Politikdidaktik auf Basis empirischer Befunde sowie auf theoretischer Ebene genauer auszuloten, welche Spielräume es für Politisches Handeln in modernen Gesellschaften gibt respektive geben sollte“ (S. 34). Zunächst gibt Susanne Pickel einen Überblick über die Formen politischer Beteiligung in der repräsentativen Demokratie und über empirische Ergebnisse. Ihr Befund zeigt, dass immer mehr Menschen sich am politischen Leben beteiligen wollen, obwohl dies zweifellos der eingangs erwähnten Einschätzung widerspricht. „Der Bürger will ernst genommen werden und fügt sich nicht mehr einfach in politische Entscheidungen“ (S. 54), was wiederum verbesserte Kommunikationsstrategien der Politik, eine höhere Entscheidungstransparenz und frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Gemeinschaftsprojekten erfordere. Gleichzeitig sieht die Autorin auch eine zunehmende Verlagerung der politischen Partizipation in die Zivilgesellschaft und weg von der repräsentativen Demokratie.

 

Anschließend widmen sich Mathias und Wolfgang König neuen Formen der Bürgerbeteiligung auf der kommunalen Ebene, während Ingo Take die Rolle von NGOs als Foren politischen Handelns auf der internationalen Ebene analysiert. Sandra Seubert wiederum geht der Frage nach, wie es mit der politischen Urteilsfähigkeit und Disposition der Bürger in der Bürgergesellschaft aussieht und Thomas Saretzki nimmt in seinem Beitrag das komplexe Zusammenspiel von Argumentieren und Verhandeln bei der politischen Problembearbeitung und Konfliktregelung in mehrstufigen Kommunikations- und Interaktionsprozessen in den Blick. Schließlich bringt Hartmut Rosa die Kreativität menschlichen Handelns ins Spiel und verweist darauf, dass Systemtheorie und „Rational Choice“ keine handlungsorientierende Kraft für das alltagspraktische Verständnis der BürgerInnen besitzen und auch keine politischen Identitätsangebote machen können.

 

 

 

Modernisierung der Politikdidaktik

 

Einer der Herausgeber, Georg Weißeno, beginnt seinen Beitrag im Abschnitt zur Politikdidaktik mit einem Überblick über Dimensionen der Politikkompetenz. Ihm geht es um eine Modernisierung des Faches, ohne damit gleichzeitig allzu große Erwartungen und Hoffnungen zu verknüpfen. Weitere Aufsätze beschäftigen sich u. a. mit dem Begriff des Argumentierens (Thomas Goll fasst Verhandeln, Argumentieren und Überzeugen unter dem Begriff Sprachhandeln zusammen. ‚vgl. S. 193 ff.), des Entscheidens als Dimension der politischen Handlungskompetenz oder mit „Politischer Beteiligung durch Politikunterricht?“ (Gotthard Breit) Insgesamt gehe es darum, „politisches Handeln so aufzuschlüsseln, dass Anknüpfungspunkte für die Politikdidaktik deutlich werden“, so Peter Massing, der zusammenfassend meint: „Politisches Handeln bedarf der Motivation, es ist intentional und zielorientiert und richtet sich auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess.“ (S. 261) Schließlich werden auch die neuen Medien als Möglichkeiten gesehen, Einfluss auf die Politik nehmen zu können. „Dadurch entwickelt sich unsere Demokratie in eine basisdemokratischere Richtung“, meinen Achim Schröder und David Hengsbach (S. 346). Voraussetzung dafür sei jedoch Übung im Umgang mit den neuen Medien und das Internet als eine Plattform, auf der man einen allgemeinen Diskurs führen könne. Schröder/Hengsbach sehen vor allem für die außerschulische politische Bildung ein immenses Aktivitäts- und Aktivierungsfeld durch intergenerationelle Tandems.

 

Fazit: Der Band bilanziert die politikwissenschaftliche und -didaktische Debatte ohne signifikante Impulse einer Erneuerung zu geben. A. A.

 

Politisch Handeln.Modelle, Möglichkeiten, Kompetenzen. Hrsg. v. Georg Weißeno …Opladen (u. a.): Budrich, 2012. 352 S., € 39,90 [D], 41,10 [A], sFr 55,90

 

ISBN 978-3-86649-471-8