Neues Geld – Neue Welt

Ausgabe: 2009 | 3

„Selbstverständlich kommt nicht alles Übel dieser Welt vom Geld, aber es spielt in allen Bereichen eine sehr große Rolle und beeinflusst alle Probleme.“ (S. 43) Ausgehend von dieser Überzeugung zeigt Tobias Plettenbacher auf gut verständliche Weise die Zusammenhänge von Geld, Wirtschaftskrisen und Umweltzerstörung auf. Der Autor – laut Selbstbeschreibung ein Ökologe, der erkannt hat, dass Umweltprobleme „unweigerlich zu unserem Wirtschaftssystem“ führen – macht deutlich, wie privater Reichtum und von der Allgemeinheit zu finanzierende öffentliche Verschuldung zusammenhängen: „Der Staat leiht sich Geld von reichen Bürgern. Die Zinsen werden aber über Steuern von allen Bürgern finanziert.“ (S. 18) Er illustriert, wie das Zinssystem zu Gunsten einiger „Habender“ funktioniert: „Die Einkommen der breiten Bevölkerung sind zu gering, um größere Vermögen anzusparen und namhafte Kapitalerträge zu erwirtschaften. Die Armen erarbeiten also die Gewinne der Reichen.“ (S. 20) Und er zeigt, wie die „Dividendenwünsche“ der Aktionäre die Wirtschaft zerstören: „In Österreich zahlten 2003 die 170 großen Gesellschaften ihren Eigentümern mehr Dividenden aus, als Gewinne erwirtschaftet wurden“ (S. 32). Der Wandel von der arbeits- zur kapitalintensiven Produktionsweise und die zunehmende Börsenabhängigkeit von Unternehmen führe zur Zerstörung des Mittelstands. Plettenbacher ist überzeugt, dass wir derzeit in eine Wirtschaftskrise ähnlich jener in den 1930-Jahren sowie jener in den 1870er-Jahren schlittern und dass das Schlimmste erst bevorstehe: „Die Zusammenbrüche der Wirtschaft erfolgen im Schnitt ca. alle 60 Jahre. Viele Rezessionen dauerten Jahrzehnte und wurden erst durch Kriege (Rüstungsboom und Neuaufbau) beendet.“ (S. 32)

 

 

 

Fluch des Geldes

 

Das äußerst lesefreundlich aufbereitete Buch – eine Seite Text wird jeweils ergänzt um eine Seite Grafiken, Schaubilder und Zitate – zeigt auch historische Beispiele des Untergangs von Hochkulturen durch den „Fluch des Geldes“ (Sophokles), wie etwa das antike Griechenland oder das römische Reich; und es stellt theoretische Ansätze aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zur „Lösung des Geldproblems“ vor: Etwa Modelle eines umlaufgesicherten Geldes durch Negativzins („rostendes Geld“ bei Silvio Gesell, „alterndes Geld“ bei Rudolf Steiner), Modelle der Einführung einer Weltwährung mit Geldhaltekosten (der von John Meynard Keynes entwickelte „Bancor“ wurde ja vor kurzem vom US-Ökonomen Joseph Stiglitz wieder in Diskussion gebracht) oder der Vorschlag des deutschen Ökonomen Joseph Huber für ein „Vollgeld“, das die Geldausgabe in die alleinige Verantwortung der Notenbanken legen und die kommerziellen Banken auf die Abwicklung des Zahlungsverkehrs beschränken würde. Aufgezeigt werden auch Reformvorschläge wie die Spekulationssteuer (James Tobin, Attac) sowie das Plädoyer für hohe Vermögenssteuern, die allein in der Lage wären, der Reichtumskonzentration entgegenzuwirken (der Autor referiert die Experimente der Wirtschaftsphysiker J. Philippe Bouchand und Mark Mezard, die die systemimmanente Reichtumskonzentration unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen simuliert haben).

 

 

 

Einführung von Regionalwährung

 

Plettenbacher benennt die Vorzüge dieser Modelle, hält deren Chance auf politische Umsetzung jedoch für gering (worüber freilich zu diskutieren wäre) und favorisiert daher die Einführung komplementärer Regionalwährungen, wie sie von dem Iren Richard Douthwaite, der US-Ökonomin Margret Kennedy oder dem belgischen Miterfinder des Euro Bernard Liataer vorgeschlagen werden.

 

Der letzte Abschnitt des Buches ist solchen Projekten gewidmet. Erinnert wird an historische Experimente wie die „Blütezeit Gotik“, in der eine „Vielfalt von Währungen herrschte, die nur lokal und kurzfristig gültig waren“ (S. 66), das von den britischen Kolonien in Nordamerika geschöpfte eigene Papiergeld, deren Verbot durch England der „wirkliche Auslöser für den Unabhängigkeitskrieg“ gewesen sein soll (S. 68), oder das „Wunder von Wörgl“, in dem mit 1932 in der Tiroler Gemeinde mit selbst geschöpftem Schwundgeld wirksam der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt wurde (dieses Experiment war nach gut einem Jahr von der österreichischen Nationalbank verboten worden). Breiten Raum widmet der Autor aktuellen Initiativen wie Regionalwährungen, Tausch- und Bartersystemen, die die Regionalwirtschaft stärken und die Abhängigkeit von Fremdkapital verringern sollen. Eurogedeckten Systemen (die Regionalwährung kann jederzeit in Euro rückgewechselt werden) stellt Plettenbacher leistungsgedeckte Systeme gegenüber, bei denen Zeit als „Währung“ gilt (in Form von Gutscheinen, die gegenseitig verrechnet werden können). Letztere hält der Experte, der mit „TimeSozial“ in Oberösterreich selbst ein Tauschsystem auf Zeitbasis aufgebaut hat, für die konsequenteste Umsetzung eines egalitären, kooperativen Wirtschaftens. Denn „Zeit ist das einzige, das alle Menschen in gleichem Maß besitzen. Ob arm, ob reich, ob in China oder Afrika, der Tag hat für jeden nur 24 Stunden.“ (S. 132)

 

Resümee: Die Utopie des Tauschens auf Basis von Zeit kann Nachbarschaften sowie soziale Netzwerke stärken, als Konzept für das arbeitsteilige Wirtschaften taugt es nur bedingt, was auch Plettenbacher einräumt. Dennoch: Sein Buch bietet Aufklärung im besten Sinne des Wortes, zu Ende gedacht, lehrt es uns, dass radikalere Schritte der Umgestaltung unserer Wirtschaft nötig und auch möglich sind – das gegenwärtige Geldsystem ist erst ein paar Jahrhunderte alt. Deutlich wird insbesondere, dass das Zinseszinssystem exponentiellen Wachstums nur so lange „funktioniert“ wie der zu verteilende Kuchen größer wird. Stößt dieses Wachstum an physische (ökologische) und ökonomische Grenzen, so wird das System labil. H. H.

 

Plettenbacher, Tobias: Neues Geld – Neue Welt. Die drohende Wirtschaftskrise – Ursachen und Auswege. Wien: Planet-Verl., 2009. 151 S. € 14,80 [D], 15,- [A], sFr 25,-; ISBN 978-3-902555-16-8