Markt, Mensch und Freiheit

Ausgabe: 2010 | 3

In ihrem Beitrag „Entfesselung und Eingrenzung“ zu einem Band über aktuelle Aspekte der Wirtschaftsethik sprechen Guido Palazzo und Andreas Georg Scherer von einer „Re-Moralisierung der Märkte“ durch den Druck zivilgesellschaftlicher Akteure, die im „globalen Governancevakuum“ an die Stelle politischer Regulierung zu Zeiten des „funktionierenden Nationalstaates“ getreten sei (S. 85). Die Wirtschaftsethik müsse demnach vom unmittelbaren Verantwortungsbereich der Unternehmen auf das zivilgesellschaftliche Umfeld ausgeweitet werden; gesprochen wird von „Einflusssphäre“ und „Komplizenschaft“ (S. 88). Neben die Verantwortung im eigenen Wertschöpfungsbereich tritt jene, die die „Partner in der Wertschöpfungskette“, also die Zulieferer betrifft, sowie der Einsatz auch für das geopolitische Umfeld, in dem das Unternehmen tätig ist. Das Mindeste müsse sein, keinen Schaden anzurichten und den eigenen Beitrag zur „strukturellen Ungerechtigkeit“ zu erkennen und sich für deren Abbau einzusetzen. Philanthropie helfe da auf keinen Fall weiter, so die Autoren. Auf den Punkt gebracht: „Das Kinderheim kompensiert nicht die Bekämpfung der Kinderarbeit.“ (S.92)

 

 

 

Globales Existenzminimum

 

Weitere Beiträge des Bandes widmen sich dem Verhältnis von Unternehmen und Demokratie – Otfried Höffe etwa spricht von einem Rechts- und Gerechtigkeitssinn als Grundvoraussetzung für jedes demokratische Gemeinwesen – sowie angesichts der veränderten Produktionsbedingungen in der Wissensgesellschaft von der Neubestimmung des Verhältnisses von Wirtschafts- und Staatsbürger, der durch den „Weltbürger“ zu ergänzen sei. Mehrmals thematisiert wird die Bedeutung eines bedingungslosen Grundeinkommens in einer zukünftigen Wirtschaftsordnung. Götz W. Werner skizziert einmal mehr sein Modell einer Kulturgesellschaft basierend auf einem Grundeinkommen sowie einer gänzlichen Umstellung auf Konsumsteuern (Denn: „Jede Wertschöpfung erfolgt mit dem Ziel des Konsums“, S. 204) Im Sinne eines „Weltwirtschaftsbürgertums“ plädiert der Unternehmer gar für ein globales Existenzminimum, das allen zustehen würde, finanziert etwa aus einem Prozentpunkt zusätzlicher Mehrwertsteuer auf alle gehandelten Produkte oder aus den „wirtschaftlichen Überschüssen“, die derzeit in Rüstung und Krieg, also Zerstörerisches, gelenkt werden.

 

Bedenkt man den enormen Reichtum, der durch die permanent steigende Produktivität global entsteht, nur im derzeitigen Wirtschaftssystem äußerst ungleich verteilt ist (was einer dramatischen Fehlallokation von Ressourcen gleicht kommt), dann erscheint selbst ein weltweites Recht auf ein Existenzminimum keineswegs abwegig. Wie schwierig es freilich ist, allein transnationale Unternehmen verbindlichen Regulierungen zu unterwerfen, zeigt der Wirtschaftsexperte Bernhard Ungericht in seinem Beitrag „Die Regulation transnationaler Wertschöpfungsketten“ im bereits vorgestellten Band über „Globale Güterketten“. Ansätze einer Regulierung seitens der UNO oder ILO seien bisher immer vereitelt worden, so das ernüchternde Resümee des Forschers, der im „CSR-Diskurs“ der Freiwilligkeit vor allem eine „Strategie der Verantwortungsabwehr“ (S. 65) sieht. H. H. 

 

Markt, Mensch und Freiheit. Wirtschaftsethik in der Auseinandersetzung. Hrsg. v. Markus Breuer ... Bern u. a.: Haupt-Verl., 2009. 266 S., € 19,00 [D], 19,60 [A], sFr 29,00 

 

ISBN 978-3-258-07509-9