Da Ansätze autonomer Wirtschaftsentwicklung durch die Strategie der Importsubsitution häufig gescheitert seien und zudem der Schuldendienst zu höheren Exporterlösen zwinge, sind viele Entwicklungsländer dazu übergegangen, sich in globale Produktionsnetzwerke einzuklinken, so die Ausgangsthese eines Bandes über „Globale Güterketten“. Transnationale Unternehmen, die Arbeitsplätze und Know-how bringen, sowie Joint Ventures, also Kooperationen mit Unternehmen, werden als Chance gesehen, Weltmarktanteile zu ergattern und eigene Produktionsstätten aufzubauen. Die Erfolge der asiatischen „Tigerstaaten“ galten dabei als Vorbild. Zugleich erhofften sich internationale Konzerne, durch räumliche (offshoring) und / oder organisatorische (outsourcing) Auslagerung bestimmter Wertschöpfungsstufen an Subunternehmer und Kontraktfertiger weitere Renditesteigerungen zu erzielen.
In der Erforschung „globaler Güterketten“ wird nun versucht zu erhellen, ob und unter welchen Bedingungen Entwicklungsländer Vorteile aus dieser Integration in Produktionsnetzwerke ziehen können („Entwicklungseffekte“, S. 11).
In dem von österreichischen ExpertInnen herausgegebenen Band über „Weltweite Arbeitsteilung und ungleiche Entwicklung“ werden Beispiele globalisierter Branchen – von landwirtschaftlichen Produkten wie Kakao, Zimt oder der „globalisierten Lachsindustrie“ über die ausgelagerte Textil- und Sportartikelindustrie bis hin zur mittlerweile in weltweiter Arbeitsteilung produzierenden Auto- und Computerindustrie analysiert. Die Beiträge geben zudem einen Einblick in den Stand der internationalen Güterkettenforschung. Auffallend dabei ist, dass in der Regel vornehmlich die unteren Produktionsschritte ausgelagert werden – und zwar immer dorthin, wo gerade am billigsten produziert werden kann – und dass die Anteile mit hoher Wertschöpfung wie Entwicklung und Vermarktung weiter in den hochindustrialisierten Ländern verbleiben. Mehr Verhandlungsmacht hinsichtlich lohnender Joint Ventures haben Entwicklungs- und Schwellenländer offensichtlich nur dann, wenn größere regionale Märkte winken. Ein Beispiel hierfür sei, so wird gezeigt, China, das auf diesem Weg etwa internationalen Autoherstellern Zugeständnisse abringen konnte. Und dennoch ist die Welt(wirtschaft) in einem rasanten Wandel begriffen: verringerte Transaktionskosten (beispielsweise Internet und Containerverkehr) sowie ein rasantes Aufholen von Transformationsländern im Bereich Bildung und Forschung werden die weltwirtschaftlichen Gewichte weiterhin stark verschieben. Ein Drittel des Welthandels sowie ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung bezieht sich mittlerweile auf Asien (S. 158). So beginnen die AutorInnen ihr Buch mit einem Hinweis des US-Ökonomen Paul Krugmann, dem gemäß das Jahr 2007 eine symbolische Wende in der internationalen Arbeitsteilung zwischen reichen und armen Staaten markiere: „Die USA importierten zum ersten Mal mehr Industriegüter aus Entwicklungsländern als aus Industrieländern.“ (S. 7). Die sozialen Verteilungswirkungen sowie die ökologischen Implikationen dieser Verschiebungen sind freilich noch nicht abzusehen. Neben oder statt „Copying“ und „Upgrading“ wäre demnach auch „Leapfrogging“, also das Überspringen veralteter industrieller Produktionsweisen und der Eintritt in postfossile Strukturen sinnvoll. Die Frage, wie AkteurInnen im Süden Zugang zu Fertigkeiten, Wissen und Kompetenzen erlangen können, um an globalen Produktionsnetzwerken teilzuhaben und einen höheren Wertschöpfungsanteil zu erhalten, bleibt dafür freilich zentral. H. H.
Globale Güterketten. Weltweite Arbeitsteilung und ungleiche Entwicklung. Hrsg. v. Karin Fischer ... Wien: Promedia, 2010. 271 S., € 24,90 [D],
25,70 [A], sFr 42,30 ; ISBN 978-3-85371-310-5