Ursula Nuber

Lass die Kindheit hinter dir

Online Special
Lass die Kindheit hinter dir

Bei dem nach zehn Jahren neu aufgelegten Buch schwankte das Lesevergnügen: Manches wirkt trivial, anderes wiederholt sich. Dabei laden sowohl die Kernaussage als auch die durchaus streitbaren Thesen rund um die Opfer-Thematik zur Lektüre ein. 

Nuber schreibt „Unser Leben wird vielleicht weniger von unserer Kindheit determiniert als von der Art und Weise, wie wir gelernt haben, uns unsere Kindheit vorzustellen.” (S. 298) 

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass negative Kindheitsereignisse keinesfalls determinieren, wer wir als Erwachsene/r sind. Die Vergangenheit ist ein Teil von uns, aber wir können aktiv bestimmen, wie groß der Einfluss sein darf: Wiederholen wir immer wieder gelernte Zuschreibungen und nicht erfüllte Bedürfnisse, oder hinterfragen wir diese „monomythischen” Erzählungen über uns selbst? Ein eindrückliches Beispiel zeigt, wie der schüchterne Bill Nicht-schüchtern-Sein erlernt. Es ist an uns, die durch die Kindheit geprägten Negativ-Monologe zu moderieren und andere Geschichten über uns zu erfinden  und damit unsere eigene Zukunft zu gestalten.  

Drastisch betont Nuber: „Wenn Sie sich als Opfer fühlen und an diesem Opferstatus nichts ändern, weil Sie glauben, keinerlei Einflussmöglichkeiten zu haben, werden Sie sich selbst gegenüber zum Täter.” (S. 145) Es liegt also in unserer Verantwortung als Erwachsener, alternative Erfahrungen in den eigenen Film des Lebens zu integrieren, um das hilflose Opfer abzulegen: Dazu „gehört die Überwindung der Klage und die Durchsetzung dessen, was eine Persönlichkeit ausmacht. Wünsche pflegen. Widerspruch hegen. Nach dem Warum fragen und nicht alles stumm hinnehmen. Das, was einem wirklich wichtig ist, mit Bestimmtheit und Standfestigkeit und Ruhe durchsetzen.” (S. 252) 

Auf einer Meta-Ebene beschreibt Nuber zwei Dinge: Wir sollten zum einen unsere Vergangenheit akzeptieren lernen und zum anderen negative Muster durch positive Muster ersetzen. Die beiden Punkte bilden die Pfeiler der Psychotherapie, deren nachgewiesene Wirksamkeit für die Bezahlung durch die Krankenkasse sorgt. Auch der praxisorientierte Bestseller „Das Kind in dir muss Heimat finden” kann ein guter Anknüpfungspunkt an dieses Buch sein  gerade, weil er stärker dabei hilft, einen emotionalen Zugang zu sich selbst zu finden.