Kurswechsel für Deutschland

Ausgabe: 2010 | 2

Mit grundlegenden Alternativen beschäftigt sich der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, im Band „Kurswechsel“. Ihm geht es um „den Einstieg in eine Gesellschaft, die von mehr Mitbestimmung eines jeden Einzelnen in den Betrieben, einer demokratischen, ökologischen und nachhaltigen Wirtschaftsordnung, einer gerechten Verteilung des Wohlstandes und einem ebenso leistungsfähigen wie solidarischen Sozialstaat bestimmt ist“ (S. 19). Der Gewerkschafter sieht die Beschäftigten nicht mehr als Rädchen im Getriebe der Unternehmen. „Die Teilhabe der Bürger ist nicht länger Anmerkung in Sonntagsreden von Politikern, sondern sie ist im Alltag erwünscht.“ (S. 24)

 

Wer, so Huber weiter, „allein oder in der Hauptsache auf den Markt setzt und auf den Preis als Signal, der verstellt sich den Blick in die Zukunft“ (S. 45). Gebot der Stunde ist seiner Ansicht nach eine neue Balance zwischen Binnen- und Exportwirtschaft und der aus gewerkschaftlicher Sicht lobenswerte Wunsch, die Massenarbeitslosigkeit zu beenden. Die Ideen dazu sind natürlich bekannt und reichen von Arbeitszeitverkürzung über neue innovative Technologien bis hin zu der Vision einer ganz anderen, guten Arbeit (die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigt): „Künftig werden qualifizierte soziale Dienstleistungen und Arbeitsplätze einen erheblich höheren Stellenwert einnehmen müssen“ (S.61f.).

 

In einer Balance zwischen den Marktkräften des freien Kapitalismus und der staatlich gelenkten Planwirtschaft des Sozialismus sieht der Ex-Topmanager Peter H. Grassmann im bereits zitierten Band „BurnOut“ die Lösung. Dabei fordert er die Mitbestimmung der Zivilgesellschaft als sogenannte vierte Kraft, die neben Exekutive, Legislative und Judikative Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen nehmen müsse. Dadurch soll ein neuer Ordnungsrahmen für die Wirtschaft entstehen, dessen Fundament branchenspezifische Wertekodizes bilden (s. o). Auf diese Weise verspricht sich der Autor eine „mitbestimmte Marktwirtschaft“, die sich zu einer ökosozialen Form, die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit als gleichwertige Ziele mit einbezieht, entwickelt.

 

Schließlich weist auch Attac auf die entscheidende Rolle der globalen sozialen Bewegungen im Zusammenhang mit Transformationsstrategien hin. „Die emanzipatorische Gestaltung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse erfordert Menschen, die heute für diesen Wandel eintreten.“ (Mythen der Krise, S.1 26) In diesem Sinn brauchen wir in vieler Hinsicht ein ganz anderes Klima. Ein „Weiter so wie bisher“ könne es nicht geben. Die Herausgeber des Bandes „Geld und Gewissen“, Wolfgang Kessler und Antje Schneeweiß, sprechen  davon, dass die Politik zwar viele Möglichkeiten hätte, aus dem Finanzmarktkasino ein nachhaltiges Finanzsystem zu machen, das Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt fördere, nur müsse sie Veränderungen auch wirklich wollen. „Und wenn nicht, wird es Zeit, dass die Menschen diese Veränderungen einfordern.“ (S. 10) Antje Schneeweiss, Expertin für ethisches Investment, erinnert im selben Band an die Macht von Investoren und Sparern, die durch den Wechsel zu Alternativ- und Kirchenbanken als die wohl bedeutendste Reaktion auf die Finanzkrise zu sehen seien. Dies sei sehr zu begrüßen, meint sie, denn es stärke bereits vorhandene Alternativen und wird, wenn es sich in diesem Maße fortsetzt, „konventionelle Banken zum Nachdenken zwingen“ (S. 132).

 

Huber, Berthold: Kurswechsel für Deutschland. Die Lehren aus der Krise. Frankfurt/M.: Campus-Verl. 2010. 255 S., € 16,90 [D], 17,40 [A], sFr 25,30 ISBN 978-3-593-39104-5