Hoffnungsträger

Ausgabe: 2001 | 4
Hoffnungsträger

Hoffnungsträger. Ein internationaler Reiseführer zu grünen Initiativen1971 schrieb die 26-jährige Frances Moore Lappé „Diet for a Small Planet“. Dieses Buch setzte sich grundsätzlich mit unseren Essgewohnheiten, mit der globalen Ernährungssituation, mit ökologischem Landbau und insbesondere dem Vegetarismus auseinander. Von diesem Buch wurden über 3 Millionen Exemplare verkauft. Neben zahlreichen Übersetzungen erschien auch eine deutsche Ausgabe unter dem Titel „Die Öko-Diät“.


Bereits vor dreißig Jahren hat die amerikanische Ernährungsexpertin mit der These provoziert, dass der Hunger in der Welt keine Frage der Nahrungsknappheit sei, sondern eine des Mangels an Demokratie und Selbstbestimmung der Menschen über die eigenen Ressourcen. Die Kritikerin der „grünen Revolution“ wurde damals als technikfeindliche Illusionist abgetan, durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte fühlt sie sich jedoch in ihren damaligen Aussagen bestätigt. Nicht nur dass gegenwärtig trotz Nahrungsüberschüssen eine Milliarde Menschen (jeder sechste) auf der Erde Hunger leidet, etwa ebenso viele in den Wohlstandsländern sind fehl- und überernährt. Und die Lebensgrundlagen werden durch das agroindustrielle System zerstört: „Weltweit erodiert fruchtba-rer Erdboden dreißigmal schneller, als er sich wieder aufbaut.“ Der tiefere Grund für diese Krise liegt für Lappé in der Anonymisierung des Lebensmittelmarktes: „Nichts ist persönlicher als das Essen. Und doch ist es in dieser globalen Welt gerade das Essen, das erschrecken-derweise immer unpersönlicher wird und sich immer weiter von allem entfernt, was wir noch kontrollieren können.“ Und der „Gentechnikwahn, der Abermillionen Dollar verschlingt und Befürworter wie Gegner unendlich viel Zeit und Energie kostet“, sei eine „weitere katastrophale Abkehr von der wirklichen Frage, warum es überhaupt Hunger gibt.“


Gemeinsam mit ihrer Tochter – sie steuert interessante Tagebuchnotizen zum grünen „Reiseführer“ bei - hat sich die Ernährungswissenschaftlerin nun auf den Weg gemacht, um Menschen und Projekte in aller Welt zu besuchen, die Widerstand leisten gegen das Weltagrarsystem, die sich auf die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen besinnen und vor Ort eine natur- und menschennahe Landwirtschaft praktizieren. Die Reise führte die beiden dabei zu Community-Farms in den USA, in denen Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften einen neuen Bezug zu den Öko-Lebensmitteln herstellen, ebenso wie zur Landlosenbewegung in Brasilien, die durch Landbeset-zungen und die Bildung von Genossenschaften den Staat zu einer Landreform zwingt. Die Autorinnen besuchten das „Green Belt Movement“ in Kenia, in dem Frauen durch Baumpflanzungen der Wüste Land abringen, die von der Gentkritikerin Vandana Shiva gegründete Dorfbewegung in Indien, in der Bauern wieder zu ihrem eige-nen, erprobten Saatgut und von Düngemittel freien An-baumethoden zurückkehren, sowie die „Grameen-Bank“ in Bangladesh, die Kleinkredite an Arme für Existenz-gründungen vergibt. Und auch Europa fand Aufnahme in den „Reiseführer zu den  grünen Initiativen“: Beschrie-ben werden die Max-Havelaar-Stiftung in den  Niederlanden, von der die Idee des fairen Handels ihren Aus-gang nahm, sowie die französische Bauernbewegung um Francois Bové, die sich gegen das „Malbeuffe“ (Schlechtessen) und für eine regionale ökologische Landwirtschaft einsetzt.


Die „Reiseberichte“ faszinieren durch zweierlei: Sie machen deutlich, dass Ernährung immer mit Kultur (und auch mit Politik) zu tun hat und sie zeigen, dass hinter allen Bewegungen Menschen stehen, die für ihre Ideen eintreten und sich in Netzen zusammenschließen. „An allen aufgesuchten Orten“, so schreibt Francis Moore Lappé im Vorwort, „haben wir Menschen entdeckt, die den globalen Kapitalismus nicht einfach hinnehmen, sondern ihn so modifizieren und weiterentwickeln, dass der Anbau und der Genuss gesunder Nahrung, ja das Wirtschaftsleben selbst wieder in ein lebensbejahendes Wertesystem und kooperative Lebensformen eingebettet wird.“ Dass gesunde Ernährung dabei mit einfachen Mitteln erreichbar ist, demonstriert – das führt uns nochmals nach Brasilien – die beschriebene Stadt Belo Horizonte, die „einzige Stadt der Welt, in der das Grund-recht auf Nahrung als Bürgerrecht verankert wurde“: In den Armenviertel wurden von der Stadtverwaltung ge-förderte Gemüsemärkte eingerichtet, die für alle er-schwingliche, vor Ort angebaute Produkte anbieten. So könnte das Zusammenwirken von regionaler Landwirtschaft und urbaner Lebensmittelversorgung auch funktionieren. H. H.

 

Bei Amazon kaufenLappé, Frances Moore; Lappé, Anna: Hoffnungsträger. Ein internationaler Reiseführer zu grünen Initiativen. München: Riemann-Verl., 2001. 475 S., € 24,- / DM / sFr 48,- / öS 338,-