Handbuch Zukunft 2010

Ausgabe: 2010 | 1

Prinzipiell lässt sich Zukunft, darin sind sich fast alle Zukunftsforscher einig, nicht voraussagen. Deshalb ist es Hauptaufgabe der Disziplin im hier verstandenen Sinn, Orientierung über die eigenen Handlungsspielräume und deren Grenzen zu liefern und so bessere Entscheidungen der Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen. Die renommierten Zukunftsforscher Klaus Burmeister und Holger Glockner vom Kölner Institut Z_punkt The Foresight Company zeigen Facetten von (möglichen) Zukünften in verschiedenen Lebensbereichen. Das Autorenduo verfolgt nach eigenen Angaben „den fast vermessenen Anspruch, die Welt in ihrer Vielfalt abzubilden, zu schildern, welche Herausforderungen sich stellen sowie, das ist uns besonders wichtig, welche Chancen sich bieten“ (S. VII.) Dem „Prinzip Verantwortung“ verpflichtet, versuchen sie in ihren Analysen, die Welt als vernetztes, komplexes System mit wechselseitigen Abhängigkeiten auf Grundlage endlicher Ressourcen darzustellen und zu begreifen. Die Autoren sind der Meinung, „dass eine nachhaltige Entwicklung handlungsleitend werden muss“, nicht nur von Seiten der Bürger, sondern auch von staatlicher Seite. Dies kann weder gefordert noch verordnet werden. „Vielmehr handelt es sich um einen niemals abgeschlossenen, weil unabschließbaren Prozess, der auf Austausch, Kommunikation und Einsicht basiert.“ (S. VII)

 

 

 

Zentrale Handlungsfelder

 

Wie immer bei solchen Analysen erfahren wir zunächst, dass die vor uns liegende Zeit tief greifende Veränderungen parat hält und es an uns liegt, sich darauf einzustellen. Zentrale Handlungsfelder mit hoher Dynamik werden für insgesamt sieben Themenbereiche präsentiert: Energie und Klima, Mobilität und Verkehr, Stadt und Raum, Arbeit und Wirtschaftsprozesse, Gesundheit und Körper, Alltag und Lebensführung, Medien und Kommunikation. Ebenso vielfältig und spannend wie die Themen sind die methodische Herangehensweise der Zukunftsforscher, die eingangs vorgestellt wird. Es geht auch darum, dass eine reine Problemperspektive der Zukunft keineswegs gerecht wird, denn sie bietet gleichzeitig auch vielfältige Chancen und Möglichkeiten, die Welt neu zu erfinden oder zumindest konstruktiv mitzugestalten.

 

Zunächst wird an die in den 70er-Jahren etablierte, als Reaktion auf eine technokratische Traditionslinie (der RAND-Corporation in den USA) entstandene kritische Zukunftsforschung erinnert, die auf Beteiligung und Zukunftsgestaltung, auf „Zukunft von unten“ setzte. Robert Jungk gilt nach wie vor als der bedeutendste deutsche Vertreter dieser Richtung, der zudem die bis heute vielfach praktizierten Zukunftswerkstätten ins Methodenrepertoire der Zukunftsforschung eingeführt hat. Später hätten Angela und Karlheinz Steinmüller mit dem Focus auf „Wild Cards“ das Unterwartete in die Zukunftsforschung einbezogen, wobei sie auch eine globale Finanzkrise als Möglichkeit angedacht (vgl. S. 15) haben.

 

Nun zu einigen Fokusthemen der Studie: Geht es um Maßnahmen gegen den Klimawandel, bedürfe es „erheblicher Investitionen, eines  langen Atem und insbesondere einer klaren politischen Linie auf der Basis supranationaler Vereinbarungen, die für Unternehmen Investitionssicherheit schafft“ (S. 29). Auch im Bereich Mobilität und Verkehr sei ein Umsteuern nötig, meinen die Autoren: „In der Schifffahrt ließen sich Berechnungen der Uni Oldenburg zufolge durch die Nutzung von neuartigen Großsegeln jährlich 150 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparen.“ (S. 39) Unternehmen würden in Zukunft zugleich profitabel, sozial und ökologisch sein: Das Leitbild der „Corporate Social Responsibility“ fordere eine stärkere Rolle der Unternehmen als gesellschaftliche Akteure. In der Kindererziehung gelte es individuelle Talente mehr zu fördern und auch die Zukunftsforscher von Z_punkt gehen davon aus, dass künftig die „klassische Lebenskunst“ an Bedeutung gewinnen wird.

 

Die Londoner New Economics Foundation (NEF) definiert „Wohlstand als Wohlergehen, wobei sich der Erfolg einer Nation nach Kriterien wie: sinnvolle Arbeit, Zeit, die der Einzelne mit seiner Familie  und Freunden verbringen kann; Erziehung zur Kreativität, wahres Gemeinschaftsgefühl“ (S. 86) bemißt. Weiters diskutieren die Autoren Ziele, Modelle und Bausteine, mit und nach denen sich nachhaltige Zukunftsmärkte erschließen lassen und gehen abschließend in einem grafisch sehr ansprechend aufbereiteten „Trend-Glossar“ mit Nachschlagecharakter auf die 100 wichtigsten Trends, die für Unternehmen und Wirtschaft von hoher Relevanz sind, ein. A. A.

 

Burmeister, Klaus; Glockner, Holger: Handbuch Zukunft 2010. Trends, Herausforderungen, Chancen. München: FOCUS Magazin-Verl., 2009. 241 S., € 89,-[D], 91,70 [A], sFr 151,30; ISBN 978-3-9810887-5-5