Fleisch essen, Tiere lieben

Ausgabe: 2011 | 2

Können wir, fragt Theresa Bäuerlein, mit gutem Gewissen Fleisch konsumieren? Und dabei weiß sie natürlich um die vielen Argumente, die dagegen landläufig angeführt werden, und führt „Fakten, gegen die sich nicht argumentieren lässt“ gleich selbst an: „Laut FAO produziert die Fleischindustrie mehr Treibhausemissionen als der Autoverkehr. Um ein Kilo Fleisch herzustellen, sind 15.000 l Wasser nötig. Pro Kilo Fleisch verfuttert ein Rind etwa 13 Kilo Getreide und andere Pflanzen. Gleichzeitig hungern weltweit eine Milliarde Menschen.“ (S. 12). Im Wesentlichen, so die Online-Journalistin, Sachbuchautorin, die 2008 auch ihren ersten Roman („Das war ein guter Teil des Tages“) vorgelegt hat, würden fünf Hauptargumente gegen den Verzehr von Fleisch angeführt: Moral, Welthunger, Gesundheit, Klima und Umwelt (S. 18). Isoliert und oberflächlich betrachtet, sei jedem etwas abzugewinnen. Bei genauerem Hinsehen zeige sich aber, dass Vieles davon auf Unverständnis oder Fehlinformation beruhe, meint die Autorin – und überzeugt mit ihrer Darlegung über weite Strecken.

 

 

 

Ohne Tiere geht es nicht

 

Auch Pflanzen sind Lebewesen, „die wachsen, atmen und konsumieren“ (S. 20), und da sie nicht von Sonnenlicht alleine leben können, verarbeiten sie zu ihrem wie unserem Vorteil das, was Tiere auf natürliche Weise von sich geben, in erster Linie Stickstoff aus organischem Material. Es ist also einiges dran, wenn Bäuerlein pointiert feststellt: „Aus Pflanzenperspektive ist eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise einfach absurd.“ (S. 20) Noch ein starkes Argument führt die Autorin an, um die moralisch-energetische Wohlfühl-Bilanz der Fleischverweigerer zumindest ein Stück weit ins Wanken zu bringen. Jeder Form industrieller Landwirtschaft basiere im Wesentlichen auf dem Verbrauch fossiler Energie, schreibt sie und zitiert Albert Bartlett von der University of Colorado, der Landwirtschaft pointiert als „die Verwendung von Land, um Erdöl in Lebensmittel umzuwandeln“ definiert, um mit einer nicht nur rhetorischen Frage „an alle, die Getreide für gewaltfrei halten“ fortzufahren: Was war noch gleich so politisch korrekt an Erdöl?“ (S. 45) So wie Michael Pollan plädiert auch Theresa Bäuerlein für den moderaten Einsatz organischen Düngers – den wir nun einmal nur von Tieren bekommen, die ihrer Natur entsprechend gehalten werden.

 

Doch Achtung: „Marktgerechte Tierhaltung ist wichtig, aber nicht alles. Wenn sämtliche Tiere, die wir heute essen, im Freien leben sollten, müssten alle Wälder und Felder in Weiden umgewandelt werden. Das gleiche Problem – Vegetarier aufgepasst – gilt für Eier und Milch. Es gibt einfach nicht genug Platz, um unseren Hunger nach Tierprodukten tierfreundlich zu befriedigen. Die einzige Möglichkeit, Massentierhaltung und -schlachtungen überflüssig zu machen, liegt darin, die Nachfrage nach den Produkten, die aus diesen Systemen stammen, zu reduzieren und letztlich ganz zu beseitigen.“ (S. 144)

 

Das Fazit der Autorin kurz gefasst: Wir täten gut daran, nicht leichtfertig zu verurteilen, sondern sollten uns die Mühe machen, genauer hinzusehen. Artgerechte Tierhaltung, regionale (Ernährungs)Kreisläufe, Bewusstseinsbildung und zuletzt die Bereitschaft, für gesunde Nahrungsmittel auch angemessene Preise zu bezahlen – das sind die Eckpunkte einer zukunftsweisenden, artgerechten Lebenshaltung für Pflanzen, Tiere und Menschen. Sieht man davon ab, dass die Autorin zur Umsetzung dieser Ziele einzig auf mündige KonsumentInnen setzt, von der Politik hingegen so gut wie keine Maßnahmen erwartet, die diesem Ziel förderlich wären, kann dieser Band als ein wichtiger Beitrag zum Thema angesehen und empfohlen werden. W. Sp.

 

Bäuerlein, Theresa: Fleisch essen, Tiere lieben. Wo Vegetarier sich irren und was Fleischesser besser machen können. München: Ludwig, 2011. 607 S., € 12,99 [D], 13,40 [A], sFr 22,10

 

ISBN 978-3- 453-28024-3