Erfolg und mögliches Ende des Kapitalismus

Ausgabe: 2013 | 4

Die deutsche Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann, bekannt geworden durch ihre Analysen zum Abstieg der Mittelschicht („Hurra wir dürfen zahlen“) beschreibt in ihrem neuen Buch „Der Sieg des Kapitals“ zum einen die Erfolgsgeschichte des Kapitalismus. Die Autorin geht aber davon aus, dass der Kapitalismus - bedingt durch den Wachstumszwang - an ein Ende kommen werde.

Worin gründet der Erfolg des Kapitalismus? Das Geld- und Schuldsystem reiche historisch weit zurück bis in die Zeit der Babylonier. Doch Geld diente als reines Tauschmittel und – was noch entscheidender gewesen sei – Reichtum sei bis herauf in die Neuzeit lediglich angehäuft worden, etwa von den Rentiers der Feudalgesellschaft. Erst im Zeitalter der industriellen Revolution, die Ende des 18.Jahrhunderts in Großbritannien, dem Land mit dem damals am weitesten emanzipierten Bürgertum, ihren Ausgang genommen hat, sei Geld in die Entwicklung neuer Technologien und Maschinen investiert worden, so die Autorin. Herrmann sieht den entscheidenden Entwicklungsschub für diese ungeheure Entfaltung der Produktivkräfte nicht in der Entdeckung der fossilen Energieträger (zumindest die Kohle hätten auch frühere Kulturen bereits bekannt), sondern in dem Umstand, dass Vermögen zu investivem Kapital transformiert wurde. Der Kapitalismus sei eine „Kulturleistung des Menschen und wahrscheinlich seine erstaunlichste Erfindung“ (S. 10). Das Kapital im Kapitalismus sei nicht das Geld, sondern es sind die „effizienten Produktionsprozesse und der technische Fortschritt“ (ebd.).

Zwar komme es regelmäßig zu Krisen, aber die technologische Entwicklung gehe unaufhaltsam weiter. Herrmann belegt dabei, dass der Kapitalismus immer nur mit einem funktionierenden Staatswesen gedeihen konnte. Und dass steigende Löhne seit Beginn der industriellen Revolution ein Motor für Innovation waren. Die britischen Löhne im ausgehenden 18. Jahrhundert seien die höchsten der Welt gewesen, deshalb habe es sich erstmals rentiert, Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Was heute auch noch seine Gültigkeit habe: „Viele Unternehmer wollen es nicht glauben, aber hohe – nicht niedrige – Gehälter fördern das Wachstum und machen die Firmen reich.“ (S. 11) Herrmann kritisiert dabei auch jene Linken bzw. Alternativen, die im Geld- bzw. Zinssystem den Wachstumstreiber sehen. Bereits die Mesopotamier hätten gewusst, wie man den Zinseszins ausrechnet und hätten ihn auch eingetrieben – trotzdem stagnierte ihre Wirtschaft. Denn: „Geld allein ist machtlos und erzeugt keinen Wohlstand.“ (S. 12)

Ausgestattet mit einer Fülle an wirtschaftlichem und geschichtlichem Wissen beschreibt Herrmann den „Aufstieg des Kapitals“, die „drei Irrtümer über das Kapital“, nämlich dass dieses nicht mit Marktwirtschaft gleichzusetzen sei, dass es nicht das Gegenteil von Staat sei und dass Globalisierung seit langer Zeit stattfinde, sowie schließlich die Krisen des Kapitals. Dabei werden selbstverständlich auch die Finanzkrise 2008 sowie die ihr folgende „Eurokrise“ dargestellt. Die Autorin geht davon aus, dass Kapitalismus ohne Wachstum nicht möglich ist und daher die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass dieser an den „Umweltproblemen scheitert, die er selbst erzeugt“ (S. 246). Hermann bleibt schließlich dennoch zuversichtlich, wenn auch vage: Das Ende des Kapitalismus sei nicht das Ende der Geschichte: „Es wird sich ein System herausbilden, das heute noch nicht zu erkennen ist. Aber es wird seine Zeitgenossen genauso überraschen, wie es der Kapitalismus tat, als er 1760  im Nordwesten Englands entstand.“ (S. 246) Wollen wir es hoffen!  Hans Holzinger

Herrmann, Ulrike: Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen. Frankfurt/M.: Westend, 2013. 288 S., € 19,99 [D], 20,60 [A], sFr 26,90

ISBN 978-3-86489-0444-4