Die Diktatur der Demokraten

Ausgabe: 2013 | 1

Wenn der Krieg aus ist, kommen „die Bürokraten“, dann geht es um Demokratieaufbau, der mittlerweile zu den Standardstrategien der internationalen Staatengemeinschaft zählt. Demokratie als Exportschlager in so genannten „failed states“, also Staaten, die durch Kriege oder kriegsähnliche Zustände in eine Situation der Auflösung und des Zerfalls geraten sind, soll helfen, zur Stabilisierung der Lage beizutragen. Die Errichtung von internationalen Übergangsverwaltungen („transitional administrations“) hat sich dabei zu einem wichtigen Instrument entwickelt. Nach Meinung der Bestsellerautorin und Juristin Juli Zeh erfolge aber der Demokratieaufbau im Rahmen des „state building“ paradoxerweise mit völlig undemokratischen Mitteln. Zu diesem vernichtenden Urteil kam die Autorin nach ihrer Arbeit für die Rechtsabteilung des „Office of the High Representative“ (OHR) in Sarajevo.

Rechtsweg nicht ausgeschlossen

Dass die Implementierung von Staatlichkeit nach westlichem Vorbild nicht einfach ist, wurde bereits in einer früher besprochenen Studie „Illusion Statebuilding“ nachgewiesen, in der gar von organisierter Verantwortungslosigkeit gesprochen wird. Juli Zeh stellt nun in ihrem Buch (im Wesentlichen die Dissertation der Autorin) am Beispiel von Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo fest, dass „ohne Recht kein Staat zu machen“ ist. Es sei zwar Aufgabe der Staatengemeinschaft, beim Aufbau demokratischer institutioneller Strukturen zu helfen, als Voraussetzungen für das (Wieder-)Funktionieren einer Gesellschaft, beim Demokratieaufbau dürfe aber der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Meist bedienen sich die friedensstiftenden Staaten bei der Schaffung demokratischer Strukturen aber undemokratischer Mittel. In der Praxis verkörpert sich diese im Chef der jeweiligen Mission, der über allem steht, was staatliche Autorität ausmacht. Die neuen demokratischen Freiheiten werden den Bürgern also durch eine autoritäre Regierungsform nahegebracht. Sie hätten deshalb keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg gegen Willkürakte zu wehren, so Juli Zeh. Deshalb verspiele die Übergangsverwaltung Vertrauen bei der Bevölkerung. Zeh plädiert dafür, die Erlasse einer Übergangsverwaltung supranationalem Recht zuzuordnen. Damit würde das Übergangsrecht zur selben Kategorie wie das EU-Recht gehören, und es entstünde etwas mehr Rechtssicherheit für die Bürger.  Wie nicht anders zu erwarten, ist hier nicht ein Werk in juristischem Kauderwelsch entstanden, sondern ein gut lesbares, allgemein verständliches Plädoyer für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Und in der Tat ist es höchste Zeit, das internationale Projekt des „state building“ auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. A. A. 

 

 Zeh, Juli: Die Diktatur der Demokraten. Warum ohne Recht kein Staat zu machen ist. Hamburg: ed. Körber-Stiftung, 2012. 198 S. € 14,- [D], 14,40 [A], sFr 19,60 ; ISBN 978-3-89684-095-0