Der Global Deal

Ausgabe: 2009 | 4

Bereits im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im Dezember 2009 mehrten sich Stimmen, die von einem Scheitern des Weltklimagipfels sprachen. In Brüsseler Diplomatenkreisen überwog die Skepsis, dass auf dem UNO-Klimagipfel in Kopenhagen ein global verpflichtendes Abkommen über den Kampf gegen die Erderwärmung erzielt werden könne. UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon stellte sich darauf ein, dass in Kopenhagen noch kein rechtsverbindliches neues Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgase erzielt wird. Eine unverbindliche politische Absichtserklärung zur Erarbeitung konkreter Rahmenbedingungen wird als Erfolg gefeiert.

 

Im Gegensatz zur „Realpolitik“ erscheint die Forderung nach dem „Global Deal“ geradezu selbstverständlich und leicht erreichbar. Zwar hält Nicholas Stern, von 1994 bis 1999 Chefökonom der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, von 2000 bis 2003 Chefökonom der Weltbank und später Berater der britischen Regierung, „ein Bild unbegrenzter Expansion“ für ein wenig plausibles Zukunftsmodell (S. 22). Aber die „gewaltigen Risiken lassen sich zu vernünftigen Kosten drastisch reduzieren“, meint er mit Blick auf die Klimakonferenz in Kopenhagen. Notwendig dafür sei allerdings eine klare und gut strukturierte Klimapolitik. Im vorliegenden Band revidiert Stern übrigens seinen eigenen Report „The Economics of Climate Change“ aus dem Jahr 2006. Eines der Kernergebnisse der Studie war damals ein drohender Einbruch der globalen Wirtschaftsleistung um bis zu 20 Prozent bis zum Jahre 2050, wenn die Emissionen von Treibhausgasen wie CO2 nicht massiv reduziert würden. Nun stellt der renommierte Autor jedoch klar, dass er sich wohl geirrt habe, denn seine Prognosen über die wirtschaftlichen Schäden eines ungebremsten Klimawandels würden sogar noch übertroffen. Um einem dramatischen Einbruch der Weltwirtschaftsleistung entgegenzuwirken, seien Reduktionen der CO2-Emissionen in den Industriestaaten um bis zu 80% (im Vergleich zu 1990) und bis 2050 weltweit um 50% nötig.

 

Ausgangsthese des hier entworfenen „Gobal Deal“ ist für Stern, dass die beiden größten Probleme unserer Zeit, nämlich die Überwindung der Armut in den Entwicklungsländern und die Bekämpfung des Klimawandels unauflöslich miteinander verbunden sind. Deshalb beschäftigt er sich im ersten Teil des Reports mit den Dimensionen und dem Wesen des globalen Handelns sowie mit den Herausforderungen des Klimawandels. Der zweite Teil analysiert die Handlungsstrategien und entwirft die Grundlagen eines globalen Deals, wobei die Hürden für einen derartigen Kontrakt und sein Einhalten ebenfalls thematisiert werden.

 

 

 

Technologie-Revolution ist notwendig

 

Das geforderte Ziel sei nach Stern nur zu schaffen, wenn eine Technologie-Revolution zu Gunsten erneuerbarer Energien einsetze, in diesen Wirtschaftssektor massiv investiert würde und neue     Jobangebote entstünden. Außerdem gelte es neu zu definieren, was „gerechte“ Lösungen sind, welche Maßnahmen die ärmsten Länder tragen können und welche Verantwortung die sogenannten „Industrienationen“ übernehmen müssen. Dafür ist es erforderlich, einen weltweiten Konsens zu erarbeiten und umzusetzen. Der Klimawandel gilt als eine globale Herausforderung, ist sich Stern sicher, und erfordert internationale Zusammenarbeit von beispiellosem Ausmaß (vgl. S. 176). Dabei geht es dem Autor nicht so sehr um die Ausformulierung eines Vertragsentwurfs, sondern um ein klares Verständnis der grundlegenden Prinzipien. Voraussetzung dafür seien Effektivität, Effizienz und Gerechtigkeit. Daher müssten sich auch die Entwicklungsländer verpflichten, bis spätestens 2020 konkrete Reduktionsziele festzusetzen. Und schließlich fordert Stern eine gesamtstaatliche Finanzierung, um der anhaltenden Entwaldung Einhalt zu gebieten und dem Einsatz regenativer Technologien (Solarenergie, Windkraft) zum Durchbruch zu verhelfen. Schließlich seien auch die Zuteilung von Emissionsrechten und der Emissions- handel konkret zu regeln. „Ich schlage vor, dass alle Vorstellungen von Gleichheit und Gerechtigkeit bei der Zuteilung von Emissionsrechten in ein breites Konzept von Einkommensverteilung, Verantwortung für die Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklung, Verantwortung für vergangene Emissionen und ihre Schäden sowie die verschiedenen existierenden Werkzeuge zur Beeinflussung des Welteinkommens einbezogen werden.“ (S. 189)

 

Die Politik muss nach Ansicht Sterns den Rahmen durch Anreizstrukturen setzen. Natürlich geht es auch bei ihm nicht ohne den Bürger, aber „eine sichere, saubere, leisere Welt mit mehr biologischer Vielfalt und wachsenden Einkommen“ ist, so glaubt er, für alle erstrebenswert. Jedenfalls müssten die Weichen jetzt gestellt werden, denn jede Verzögerung bedeute eine Erhöhung der CO2-Konzentration und damit einen schwierigeren Ausgangspunkt für späteres Handeln. Nicht zuletzt seien die Kosten im Verhältnis zur erwartbaren Risikosenkung jetzt noch tragbar und akzeptabel. In jedem Fall müsste ein Welt-Klimabkommen effektiv, effizient und gerecht die Treibhausgasemissionen reduzieren.

 

Der Kampf gegen den Klimawandel und gegen die globale Armut werden, so Stern, zusammen gewonnen oder verloren. Vielleicht ist es ja einem Gutteil Sterns „Fahrplan für eine Politik mit Zukunft“ zu verdanken, dass in Kopenhagen zumindest einige Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden. Wir werden den weiteren Weg aufmerksam verfolgen. A. A.

 

Stern, Nicholas: Der Global Deal. Wie wir dem Klimawandel begegnen und ein neues Zeitalter von Wachstum und Wohlstand schaffen. München: Beck, 2009. 287 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 34,80;  ISBN 978-3-406-59176-1