Wenn von der Zukunft der Arbeit und der Arbeitsgesellschaft die Rede ist, geht es um viel mehr als um Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Der Politikwissenschaftler Johano Strasser sieht in seiner Analyse das gesamte Institutionensystem der Demokratie und des Sozialstaats betroffen, die einst um die Arbeitsgesellschaft herum errichtet und auf sie zugeschnitten wurden. Aber auch die sinnstiftende Funktion von Arbeit als „entscheidende Dimension menschlichen Daseins“, als „fundamentale Funktion der Existenz des Menschen“ (Enzyklika Laborem exercens, 1981) gilt es hier zu berücksichtigen.
Zunächst beschäftigt sich Strasser mit den bisher unterbreiteten Vorschlägen von Wissenschaftlern, Politikern und Publizisten, wie der Arbeitslosigkeit beizukommen sei. Der Autor vertritt zu Recht die Auffassung, das die oft favorisierte Strategie der Wachstumsförderung das Problem nicht lösen kann, da heute wirtschaftliches Wachstums und Rationalisierung in der Regel Hand in Hand gehen. Von 1970 bis 1995 stieg das BSP um 63 Prozent pro Kopf der Bevölkerung, gleichzeitig sank die nachgefragte Arbeitsmenge um ein Fünftel, weil sich die Arbeitsproduktivität im selben Zeitraum mehr als verdoppelte. Auch die vielfach beschworene Steigerung im Dienstleistungssektor wird seiner Ansicht nach geringer ausfallen als vielfach angenommen, weil die Konsumenten immer mehr von passiven Käufern zu Mitproduzenten von Waren und Dienstleistungen werden.
Strasser kommt zu dem Schluß, daß es Erwerbsarbeit für alle nur geben kann, wenn eine Verkürzung der Arbeitszeiten gelingt und diese sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert ist. Einer Verkürzung der Normalarbeitszeit gibt Strasser jedenfalls den Vorrang vor einem Ausbau des „Dritten Sektors“ der gemeinnützigen Tätigkeiten. Die Folge wäre, daß die „Erwerbsarbeit allmählich an existentieller und lebensprägender Bedeutung für die Menschen verliert“ (S. 57). Dem Autor schwebt vor, die Erwerbsarbeit und die Nichterwerbsarbeit gerecht zu verteilen. Männer und Frauen teilen sich die Familienarbeit partnerschaftlich und alle Bürger kümmern sich in ihrer „freien“ Zeit um ihre hilfsbedürftigen Nächsten und die Belange der Gemeinschaft. Der Autor bezeichnet es als „große historische Chance, die sich am Ende der alten Arbeitsgesellschaft ergibt“, die produktiven Energien wieder in die eigenen Hände zu nehmen, sich der anonymen Zwänge der alten Arbeitsgesellschaft und der Abhängigkeit von Fremdleistung zu entziehen. Und war es nicht ein uralter Menschheitstraum, vom Joch der Arbeit befreit zu werden. Warum also jetzt in Angst und Panik geraten, wenn die Erfüllung dieses Traums ein Stück näher rücken und Konturen annehmen könnte? A. A.
Strasser, Johano: Wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht. Zürich (u. a.): Pendo-Verl., 1999. 142 S., DM 26,- / sFr 24,- / öS 190,-