Alternative Wirtschaftspolitik

Ausgabe: 1990 | 3

Gestern geschrieben - heute überholt. Die Geschwindigkeit der Umbrüche im Osten beschleunigt den AIterungsprozess von Publikationen. Dieses Schicksal wird auch einem Kapitel des vorliegenden Bandes zuteil. Das Tempo des deutsch-deutschen "Zusammenwachsens" ist ein Gegenstand des Buches. Die Warnungen vor einem zu raschen Einigungsprozess um den Preis von drastischen Einkommenseinbußen und hoher Arbeitslosigkeit in der DDR kommen zu spät die Einverleibung durch die BRD hat mit der Währungsunion bereits stattgefunden. Dafür sind die Grundsatzkapitel von brennender Aktualität. Das Memorandum '90, das sich als kritische Gegenposition zu den alljährlichen Gutachten des "Sachverständigenrates " der deutschen Bundesregierung versteht, setzt sich mit dem Begriff, den Leistungen und den Grenzen der Sozialen Marktwirtschaft auseinander. Die Autorinnen arbeiten drei wesentliche Problemkomplexe heraus - Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Unterentwicklung =, die durch die vorherrschende Art der internationalen Gewinnsteuerung im real existierenden Kapitalismus nicht gelöst, sondern verschärft werden. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik distanziert sich vom Siegestaumel der radikalen Marktwirtschaftlerinnen angesichts des Zusammenbruchs der Planwirtschaften im Osten und bekennt sich zur Ordnungspolitik und zu staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft dort, wo der Marktmechanismus versagt. Gegenüber früheren Memoranden ist eine deutliche Akzentverschiebung von der Vollbeschäftigung zur Ökologie, vom globalen Nachfragemanagement zum Konzept des ökologischen Umbaus der Wirtschaft mit dem Ziel eines vorsorgenden Umweltschutzes festzustellen. Das Bruttosozialprodukt ist als Maßstab für den Wohlstand einer Volkswirtschaft ungeeignet und soll durch ein Bündel von gebrauchswertorientierten Indikatoren abgelöst werden. Bemerkenswert ist auch der pragmatische Umgang mit der Eigentumsfrage: Die geforderte wirtschaftspolitische Umorientierung sei prinzipiell unter jeder Form des Eigentums an den Produktionsmitteln möglich. Maßgeblich sei das demokratisierte politische Umfeld, das mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten Signale, Anreize und Rahmenbedingungen vorzugeben habe. 

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Im deutsch-deutschen Umbruch: Vorrang für sozialen und ökologischen Umbau. Memorandum '90. Köln: PapyRossa Verlag, 1990. 301 5., DM 24,-1 sFr 20,601 öS 187,20