Agrarwende jetzt

Ausgabe: 2001 | 4
Agrarwende jetzt

Franz Alt Gesunde Lebensmittel für alle Agrarwende jetztIn gewohnt pointierter und engagierter Form setzt sich der renommierte TV–Journalist und virtuos formulierende Sachbuchautor Franz Alt, unterstützt von seiner Gattin Brigitte, an dieser Stelle mit den zuletzt so dramatisch zu Tage getretenen Missständen in Folge unserer Konsumgewohnheiten und Wirtschaftsweise im Allgemeinen und den geradezu perversen Praktiken der industriellen Nahrungsmittelproduktion im Besonderen auseinander. Solange Slogans wie „Masse statt Klasse“ und „Hauptsache satt und billig“ in Sachen Ernährung den Ton angeben, muss, ist Alt überzeugt, weiter mit gravierenden Begleit-erscheinungen gerechnet werden. BSE und MKS sind dabei nur die krassesten Auswüchse einer grundlegenden ethischen Krise, denn „Rinderwahn, ist eben überall, hauptsächlich in unseren Köpfen, nicht nur in denen der Politiker“ (S. 19).Doch nicht nur durch starke Worte, sondern v. a. auch eine Vielzahl von Fakten werden Zusammenhänge deutlich: Wenn allein in Deutschland jährlich 14 Mrd. DM für die Folgen falscher Ernährung aufgebracht werden müssen, so ist auch das Wort von der „Selbstvernichtungskultur“ nicht zu weit hergeholt.

Franz Alt jedoch begnügt sich nicht mit scharfer Kritik und geballtem Zynismus, um die Dinge auf den Punkt zu bringen. Vor allem entwickelt er eine kraftvoll realistische Alternative: Hundert Prozent ökologischer Landbau, gesunde, wohlschmeckende Lebensmittel für alle, ein respektvoller Umgang mit „unseren Brüdern“, den Tieren – all das kann, ist der Autor überzeugt, bis 2030 auch in Deutschland Wirklichkeit werden, auch wenn man über Anfänge – 2,5 % der Landwirte arbeiten derzeit nach ökologischen Kriterien – kaum hinausgekommen ist. Österreich, „der Feinkostladen Europas“ hält hingegen derzeit bereits bei 15 v. H. Mit dem Verweis auf die verheerenden Folgen der globalen Wirtschaftsdynamik – die Zuwächse allein der letzten sieben Jahre entsprechen denen der gesamten Menschheitsgeschichte bis 1950 –, der Widerlegung gängiger Einwände (der Agrarlobby) und Prophezeiungen (der Gentechnologen) sowie deutlicher Kritik auch an den Kirchen (die sich der Würde der Tiere nicht wie erforder-lich annehmen) macht Alt auf die vielen Komponenten seines Themas aufmerksam. „Die große Wende“, so ist er überzeugt, „ist von der Politik nicht zu erwarten. Sie kann nur von unten, aus der Gesellschaft, kommen.“ (S. 81). Ja mehr noch: „Das Überleben der Menschheit hängt heute zum ersten Mal von einer radikalen geistigen und seelischen Umkehr ab.“ (S. 77)


Im Ganzen genommen erscheint die Aussicht auf die Erreichung des ehrgeizig gewählten Ziels in der veranschlagten Zeit wohl doch zu optimistisch, zumal mit einem Mal ganz andere Fragen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Dennoch setzt Alt mit diesem Buch einen wichtigen Impuls, die herkömmliche Praxis unserer Lebens– und Wirtschaftsweise zu hinterfragen. Dass daraus im Einzelfall auch nachhaltige Kurswechsel in Sachen Ernährungsgewohnheiten möglich sind, steht außer Zweifel. W. Sp.

Bei Amazon kaufenAlt, Franz: Agrarwende jetzt. Gesunde Lebensmittel für alle. München: Goldmann, 2001. 187 S., € 8,– / DM 14,– / sFr 13,20 / öS 102,-