Der vorliegende Report zum 30. Geburtstag des renommierten „Worldwatch Institute“ untersucht diesmal, wie und warum wir konsumieren, und welchen Einfluss Konsumgewohnheiten auf uns und unseren Planeten haben. Der Konsumismus definiert unser Zeitalter, so der Präsident des In-stitutes Christopher Flavin in der Einleitung, auf eine tiefgreifende Art und Weise wie früher Religion und Familie. Doch eine konsumschwächere Gesellschaft ist nicht nur möglich, sondern unumgänglich, darin sind sich alle Autoren einig. Deshalb wurde nach Wegen gesucht, wie bzw. wo der Konsum eingeschränkt und in Bahnen geleitet werden kann, „die die Aussichten für menschliches Wohlergehen und für Nachhaltigkeit verbessern“ (S. 36). Eine jüngst erschienene Studie besagt, dass gegenwärtig 1,7 Mia. Menschen (27% der Menschheit) Mitglied der Konsumentengemeinschaft sind, von denen 270 Mio. in den USA und Kanada, 350 Mio. in Westeuropa und 120 Mio. in Japan leben. Aber fast die Hälfte aller Konsumenten „lebt heute in sich entwickelnden Ländern, davon 240 Mio. in China und 120 Mio. in Indien“ (S. 34). Neben Artikeln zu den Themen Verbraucherpolitik, Flugverkehr, Energie, Wasser, Essen oder Globalisierung und Wirtschaftsordnung wurden kurze Beiträge zu Alltagsprodukten eingefügt. Dieser „Blick hinter die Kulissen“ erfolgt in der Absicht, alltägliche Güter in gänzlich neuem Licht erscheinen zu lassen. Dabei werden Themen wie der Elektronikschrott bei Computern und Mobiltelefonen ebenso angesprochen wie die ressourcenintensive Papierherstellung („Um eine Tonne Papier herzustellen, sind - abgesehen von erheblichen Mengen an Wasser und Energie - zwei bis drei Tonnen Holz erforderlich.“ S. 284), oder die exzessive Nutzung der Plastikflaschen für Trinkwasser und die Produktionsbedingungen der TShirt- Industrie (jährlich bringen die Baumwollfarmer auf ihren Feldern Pestizide im Wert von nahezu 2,6 Mia. Dollar aus). Welche Herausforderungen bei der Bewältigung des Konsumismus vor uns liegen, vermag das Beispiel China und ein bei uns längst alltägliches Produkt eindrucksvoll zu veranschaulichen. 1980 besaß dort kaum jemand ein Auto, 2000 waren es schon 5 Millionen und im Jahr 2005 werden nach Schätzungen 24 Mio. Autos fahren. Auch wenn unser Blick in diesem Zusammenhang gerne in die Ferne schweift, so stellt sich doch bei uns die konkrete Frage, wie eine Gesellschaft mit weniger Konsum aussehen, und was „GutesLeben“ im Sinne eines neuen Lebensstils bedeuten könnte. Gleich zu Beginn zeigt Ralf Fücks, wie wir uns nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ aus dem Dilemma einer ökologischen Politik des Konsumverzichts zu retten versuchen. Die Herausforderungen - so hoffen wir - könnten durch eine neue technische Revolution gelöst werden, also durch effiziente Abgasfilter bei Autos, schadstoffarme Flugzeuge, Null-Emissions-Häuser. Dem Werbeslogan folgend „Du darfst“, gehe es etwa beim Fliegen darum, dies klimabewusst zu tun mittels einer freiwilligen Abgabe zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern. Zugegeben, auch technische Möglichkeiten können ein wirksamer Beitrag zum neu proklamierten „guten“ Leben sein, man denke nur an langlebigere Produkte, räumt der Autor ein. Doch erst wenn Wohlstand eher als höhere Lebensqualität denn als Anhäufung von Gütern definiert würde, wäre die Basis für ein neues Verständnis vom „Guten Leben“ gelegt. G. Gardner und E. Assadourian sprechen in ihrem Beitrag davon, dass sich ein neues Verständnis um den Begriff des Wohlergehens entwickeln sollte, „wenn die Grundbedürfnisse erfüllt, wenn Freiheit, Gesundheit, Sicherheit und befriedigende Sozialbeziehungen gesichert sind“ (S. 320). Nach den Vorgaben des so genannten „Wohlergehensindex“ (er umfasst 87 Indikatoren, um das menschliche und ökologische Wohlergehen zu messen wie z.B. die Lebenserwartung, Kohlenstoffemissionen, Verschuldungsrate, Ausmaß der Entwaldung etc.) leben 2/3 der Weltbevölkerung in Ländern mit einem schlechten oder mangelhaften Wert für menschliches Wohlergehen. Die vergleichsweise besten Umweltwerte erzielen Norwegen, Dänemark und Finnland. Viel sagend ist auch die Diskrepanz zwischen Geld und Glück in den wohlhabenden Ländern, die dort am deutlichsten wird, wo man die Einkommenszuwächse mit dem Glücksniveau vergleicht (s. Grafik). In den USA hat sich das Durchschnittseinkommen der Bürger von 1957 bis 2002 mehr als verdoppelt, der Anteil der Menschen aber, die von sich selber sagen, „sehr glücklich“ zu sein, ist konstant geblieben. A. A.
Zur Lage der Welt 2004. Die Welt des Konsums. Hrsg. v. Worldwatch Institute in Zusammenarb. mit d. Heinrich-Böll-Stiftung u. Germanwatch. Münster: Westfälisches Dampfboot, 2004. 347 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 34,90 ISBN 3-89691-570-3