'Wirtschaft von unten' - Subsistenz & Widerstandskulturen

Ausgabe: 1999 | 4

“Die Frage, woher das Essen und die anderen zum Leben notwendigen Dinge kommen, ist immer auch eine Frage nach gerechteren und ökologischen Lebens- und Produktionsbedingungen für alle Menschen auf dieser Welt.” (S. 10) So eine der Ausgangsthesen der Herausgeberinnen dieses Subsistenzhandbuches. Mit Subsistenz bezeichnen sie das, “was notwendig ist für ein zufriedenes und erfülltes Leben, im Gegensatz zu Gewinnstreben, Konkurrenz, Konsumismus und Umweltzerstörung.” (S.12) Es geht ihnen um eine 'Wirtschaft von unten', eine 'Alltagswirtschaft', eine 'Lebens- und Überlebensökonomie' und vor allem darum, die Reduzierung des Wirtschaftens allein auf das Kapital-Lohnarbeit-Verhältnis im Denken wie im Handeln aufzubrechen. In diesem Sinne ist den Betreiberinnen eines Instituts für Theorie und Praxis der Subsistenz (ITPS) auch die herkömmliche Entwicklungspolitik “nichts anderes als die Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln.” (S. 15) Sie sprechen bewußt nicht von einer Utopie (“Sie löst sich immer erst in der Zukunft ein”), sondern von “Subsistenzperspektive”, die etwas sei, “wonach wir sofort handeln können, sie ist Weg und Ziel zugleich.” (S. 17)

So wird in den insgesamt 17 vorgestellten Beispielen - von der Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft eines Biobauernhofes bei Hamburg bis zu den bewußt auf Selbstversorgung setzenden Maya-Gemeinden in Guatemala, von den neuentstehenden Tauschkreisen in vielen Städten Deutschlands (hier vorgestellt Beispiele aus Halle und Vehlitz ) bis hin zu einem philippinischen Versuch, Palmölmonokulturen durch Mischkulturanbau zu ersetzen - nicht nur das Alltagshandeln der Menschen beschrieben, sondern auch der politische, kulturelle und ökonomische Kontext der Projekte.

Daß Subsistenzorientierung nicht ein Zurück in die pure Selbstversorgung (“Steinzeit”-Argument) bedeutet, sondern das Schaffen neuer Freiräume, das Auskommen mit weniger Geld und das Stiften neuer Beziehungen, machen u. a. die Berichte über “Subsistenz in der Stadt”, deutlich, in denen von selbstorganisierten Mütterzentren (mittlerweile existieren davon an die 480 in der BRD), dem Leben in einer Wohngemeinschaft, die sich die Abkehr vom Konsumismus, eine gemeinsame Ökonomie und die Auflösung kleinfamiliärer Strukturen zum Ziel setzt (Kommune Niederkaufungen), sowie der Revitalisierung einer ehemaligen SelbstversorgerInnensiedlung in Erlenfeld bei Kassel erzählt wird.

Das spannende Buch hebt sich auch durch ein Weiteres von den üblichen sozialwissenschaftlichen Abhandlungen ab: 12 der 17 BeiträgerInnen sind Frauen.

H. H.

Das Subsistenzhandbuch. Widerstandskulturen in Europa, Asien und Lateinamerika. Hrsg. v. Veronika Bennholdt-Thomsen .... Wien: Promedia, 1999. 247 S., DM 34,- / sFr 31,50 / öS 248,-