Was Frauen für Männer bedeuten

Ausgabe: 1993 | 1

Die beiden Sozialwissenschaftlerinnen Benard und Schlaffer haben mit diesem Band eine weitere Diagnose des männlichen Selbstverständnisses und des derzeitigen Entwicklungsstandes der Spezies anhand von Interviews und Analysen literarischer Zeugnisse erstellt. Ihr Befund: Während Frauen große Entwicklungsschritte vollzogen und sich zumindest aus der materiellen Abhängigkeit befreit haben, ist der Wille zur Veränderung des Status quo, der den männlichen Zeitgenossen wesentlich mehr Bequemlichkeit bietet als den weiblichen, nur in Ansätzen festzustellen. Abgesehen von der ungleichen Verteilung der häuslichen Pflichten wird auch Beziehungsarbeit noch immer weitgehend den Frauen überlassen. Die Analysen der Interviews und der Schlüsselromane "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera und "Damage" von Josephine Hart ergeben ein gegenläufiges Bild von öffentlichem und privatem Leben. Das mit Attributen wie "tatkräftig" und „entschlußfreudig" geschmückte Geschlecht scheint im privaten, d. h. im Beziehungsbereich passiv und überläßt Entscheidungen in dieser Richtung lieber der Partnerin. Für die Symptome "emotionelle Armut" und "soziale Verweigerung" werden Ursachen in der Kindheit aufgespürt. Das Bild einer gleichberechtigten Partnerschaft durch eine harmonische Elternbeziehung verinnerlichen zu können ist nur wenigen gegönnt. Da der zumindest emotional abwesende Vater kein Rollenvorbild anbietet, ist die einzig "funktionierende" Mann/Frau-Verbindung die zwischen Mutter und Sohn. Das durch die starke Mutterbindung verinnerlichte Frauenbild wird später auf die Partnerin übertragen. Das Fiasko ist vorhersehbar, da Partnerschaft nicht mehr kindliche Abhängigkeit, sondern erwachsenes Verantwortungsbewußtsein erfordert. Wie die Spurensicherungen aufzeigen, existieren Frauen in Männerköpfen noch immer als Klischeebilder. Die alte Dichotomie zwischen "Heiliger" und "Hure" scheint noch nicht überwunden. Auch Männer leiden unter dem Druck, ein bestimmtes Muster, ein Bild von "Männlichkeit" erfüllen zu müssen. Der Mangel an Identität, die schmerzhafte Aufgabe, sich aus den Bildern zu befreien und den Zugang zur eigenen Persönlichkeit und den eigenen Gefühlen zu finden, skizziert ein beeindruckendes, an den Schluß des Buches gestelltes Selbstporträt eines Mannes, der nichts anderes sein will als einfach er selbst. G. K.

Benard, Cheryl; Schlaffer, Edith: Ohne uns seid ihr nichts. Was Frauen für Männer bedeuten. München: Heyne, 1992. 238 S., DM 29,80 / sFr 25,30 / öS 232,40