Plädoyer für eine nachhaltige Entwicklung

Ausgabe: 2001 | 4

Vandana Shiva, promovierte Physikerin, Umweltaktivistin, Feministin und Trägerin des alternativen Nobelpreises 1993, leitet die „Research Foundation for Science, Technology and Natural Resource Policy“ in Dehra Dun, Indien. Ihre These in diesem Buch ist, dass biologische und kulturelle Diversität eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Beide sind durch die Globalisierung der Industriekultur bedroht, die eine schnelle Zunahme biologischer und kultureller Monokulturen bewirkt. Die Zerstörung der biologischen Vielfalt bedeutet gleichzeitig die Zerstörung der Vielfalt des Lebensunterhaltes für den größten Teil der Bevölkerung der Dritten Welt. Biodiversität ist damit aber nicht nur eine Umweltschutzfrage, sondern eine Frage wirtschaftlichen Überlebens. Biologische Vielfalt ist Mittel zum Lebensunterhalt und zugleich "Produktionsmittel" der Armen, die keinen Zugang zu anderen Vermögen oder Produktionsmitteln haben. Die Armen sind, was ihre Nahrungs- und Arzneimittel, was Energie und Baustoffe, was Handwerk und Zeremonien angeht, auf den Reichtum der biologischen Vielfalt wie auch auf ihr eigenes Wissen und ihre Handfertigkeiten angewiesen, die wiederum auf der biologischen Vielfalt basieren.


Nach dem vorherrschenden Paradigma der Produktion in der industrialisierten Welt hingegen steht die Diversität im Gegensatz zur Produktivität, woraus ein Gebot für Gleichförmigkeit und Monokulturen resultiert. Die Ironie der modernen Pflanzen- und Tierzüchtung besteht darin, dass sie genau die Fundamente zerstört, von denen sie abhängt. Die große Hungersnot von 1845 bis 1946 in Irland, zum Beispiel, entstand aus einer Kartoffelmissernte, deren Ursache in der genetischen Einheitlichkeit des verwendeten Pflanzguts lag. Hierdurch konnte sich die Kartoffel-Braunfäule epidemisch ausbreiten. Spätere Hungersnöte konnten durch Einkreuzen von Wildkartoffelsorten aus den Anden verhindert werden. Da traditionelle Kulturen die biologische Vielfalt bewahrt haben, ist diese immer noch als „Rettungsring“ verfügbar, wenn industrielle Monokulturen für Krankheiten und Schädlinge empfänglich werden. Anhand eines Vergleiches der Sichtweisen von Biodiversität zeigt Frau Shiva auf, wie gefährlich und kurzsichtig die Logik der Life-Sciences-Industrie ist, die den gesamten Lebenszyklus unter Kontrolle bringen will. In diesem Zusammenhang stehen auch die unvorhersehbaren Risiken durch die Gentechnikszenarien, die in einem Kapitel über biologische Sicherheit und „biologische Verschmutzung“ behandelt werden. Mit Vorschlägen zur Nutzung und gleichzeitigen Erhaltung der Artenvielfalt und einem Ausblick in die Zukunft schließt dieses Plädoyer für soziale Gerechtigkeit und eine nachhaltige Entwicklung, deren Indikator die biologische Vielfalt ist. A. R.

Bei Amazon kaufenShiva, Vandana: Biodiversität. Plädoyer für eine nachhaltige Entwicklung. Bern (u. a.): Haupt, 2001. 174 S.; € 22,- / DM 44,- / sFr 34,- / ATS 321,-