Local Governance in internationaler Perspektive

Ausgabe: 2011 | 2

In der hier vorliegenden überarbeiteten Fassung ihrer Dissertation widmet sich die Politikwissenschaftlerin Mareike Blömker der Frage, wie Lokalverwaltungen und Politik zivilgesellschaftliche Akteure in kommunale Planungs- und Diskussionsprozesse einbeziehen. Dies wird anhand von zwei Fallstudien aus einer deutschen und einer niederländischen Stadt durchgeführt, um dadurch ein besseres Verständnis für die Bedeutung der jeweiligen Rahmenbedingungen politischen Handelns zu gewinnen.

 

Um der Fragestellung nachzugehen kombiniert die Autorin drei theoretische Konzepte, die sich einander ergänzenden Aspekten der Thematik widmen: Zivilgesellschaft, (Local) Governance und den Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus. In den einleitenden Kapiteln werden diese Ansätze genauer erörtert und dabei wird auf die jeweiligen Diskurse eingegangen. Mit dem Konzept „Zivilgesellschaft“ werden insbesondere die Interaktionen zwischen staatlichen und bürgerschaftlichen Akteuren in den Blick genommen. Der Governance-Ansatz wiederum ermöglicht, „die Perspektive auf die Art und Weise der Politikgestaltung in den ausgewählten Fallstudien.“ (S. 70) Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus als drittes Konzept wird schließlich angewendet, um Wirkungszusammenhänge zwischen den diversen politisch-institutionellen Arrangements, dem konkreten Handeln und den Funktionen der Akteursgruppen zu untersuchen. Zu letzteren gehören Gemeinderat, Verwaltung, Bürgermeister, Zivilgesellschaft.

 

Die Rahmenbedingungen für Kommunalpolitik in den beiden Staaten werden in Kapitel 3 eingehend beschrieben und untersucht. Dabei werden diverse Typen kommunaler Strukturen und deren vertikale und horizontale Einbettung analysiert, und vor allem die Varianten Konkordanz- und die Konkurrenzdemokratie erörtert, denn für ersteres stehen die Niederlande, für die letztgenannte Deutschland (genauer: Nordrhein-Westfalen). Die berücksichtigten Merkmale sind Staatsaufbau, Verfassungsrechtliche Bestimmungen, Finanzstrukturen, Wahlsysteme, Bürgermeister und Verwaltungsführung.

 

Empirischer Kern der Vergleichsstudie sind Fallanalysen von lokalpolitisch wichtigen Vorhaben in zwei Städten: Witten und Enschede. Einmal untersucht Blömker das Projekt „Unser Witten 2020“ der nordrhein-westfälischen Stadt, und daneben das Projekt „Toekomstvisie Enschede 2020“ (Zukunftsvision) der niederländischen Stadt. Durch Dokumentenanalyse, Leitfadeninterviews und teilnehmende Beobachtung werden die wesentlichen Aspekte der jeweiligen Local Governance untersucht.

 

Blömker bestätigt Forschungsergebnisse u. a. von De Vries, indem sie auf Problemlagen und Spannungen bei der Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren hinweist: Beteiligungswünsche „von unten“ versus System der repräsentativen Demokratie, kleiner aktiver Personenkreis im Verhältnis zur Gesamteinwohnerschaft, Transparenz versus Technokratismus, Diskrepanz der Erwartungshaltungen (umfassende Ansprüche versus punktuellen Ansätzen), Spannung zwischen Wünschbarem und Machbarem.

 

Dennoch bietet die Politikwissenschaftlerin eindeutige, ja richtungsweisende Befunde, etwa wenn sie festhält: „Governance-Prozesse bieten die Chance, dass Entscheidungshintergründe besser vermittelt und auch unterschiedliche Meinungen innerhalb der Bürgerschaft besser aufeinander bezogen werden können, so dass mehr Verständnis für die gegenseitigen Positionen erreicht werden kann. So zeigt sich, dass ‚in der lokalen Politikforschung ein Trend weg von der normativen Überhöhung eines Governance-Typs hin zu der Empfehlung eines ausgewogenen Governance-Mix besteht, in dem Government durchaus noch eine zentrale Rolle spielen sollte.’ Im positiven Sinn genutzt, können die Prozesse den (...) Effekt erzielen, wonach der Staat durch die Stärkung der Zivilgesellschaft auch sich selbst stärkt.“ (S. 234)

 

Auf Basis der eigenen Untersuchung und unter Bezug- nahme auf Habermas resümiert Blömker, „dass Governance-Prozesse in den beiden hier untersuchten Fällen nicht mehr sein können als eine andere, ergänzende Arena politischer Auseinandersetzung, ein anderes Diskussionsforum, also eine andere Art, um zur politischen Entscheidungsfindung zu gelangen. Im Rahmen dieser Möglichkeiten, auch das macht dieser Befund deutlich, kann Governance im Sinne der Stärkung lokaler Demokratie Government sinnvoll ergänzen und zu einer höheren demokratischen Legitimation und Akzeptanz politischer Entscheidungen führen.“ (S. 233) Am Ende des Buches formuliert die Autorin weiteren Forschungsbedarf, unter anderem darauf, dass die „Implementation der erzielten Politikergebnisse“ interessant wäre (S. 236), auch um zu eruieren, ob die hier dargestellten Kooperationsformen und Governancestile auch längerfristig Bestand haben werden.

 

Die Studie ist solide ausgearbeitet, die konzeptionellen Erörterungen gelegentlich etwas weitschweifig, die angewendeten Theorien und Ansätze sehr angemessen. Mehrere Tabellen und Abbildungen erleichtern die Nachvollziehbarkeit der Darlegungen. Die Resultate untermauern bisherige Ergebnisse ähnlicher Forschungen und machen deutlich, dass die angemessene Einbeziehung von Zivilgesellschaft kommunale Politik ergänzen und stärken kann, dass dies aber kein trivialer sondern sehr voraussetzungsvoller Vorgang ist. E. G.

 

Blömker, Mareike: Local Governance in internationaler Perspektive. Akteure, Strukturen, Prozesse im deutsch-niederländischen Vergleich. Münster et al.: Waxmann Verlag, 2010. 256 S., € 28,50 [D], 29,40 [A], sFr 48,50

 

ISBN 978-3-8309-2347-3