Europa 1992

Ausgabe: 1989 | 3

Eine nähere Betrachtung der möglichen Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf die soziale Lage der europäischen Arbeitnehmerschaft und Konsequenzen für die Politik von Gewerkschaften und Linke ist Inhalt der vom Chef der IG Metall herausgegebenen Publikation. Steinkühler geht es um die Kennzeichnung der Chancen humaner europäischer Zukunftsgestaltung, um die Möglichkeiten, in zunehmender Liberalisierung und Deregulierung Demokratie und eine Verbesserung der sozialen Lage für die Bürger Europas zu sichern. Zunächst werden die beiden offiziellen Studien der EG-Kommission von 1988 (Cecchini- und Marin-Bericht) über die voraussichtlichen wirtschaftlichen und sozialen Ergebnisse des EG-Binnenmarktes einer kritischen Wertung unterzogen. Resultat ist die Feststellung, daß Konzipierung/Planung von Zielen und Wegen der Sozialentwicklung innerhalb des europäischen Integrationsprozesses durch die EG-Kommission völlig unzureichend ist. Als Antwort auf dieses Defizit werden aus Gewerkschaftssicht Zielvorstellungen für ein sozial-innovatives Europa postuliert. Als solche sind insbesondere Sicherung und Ausgestaltung der sozialen Grundrechte herausgehoben. Die Gewerkschaften sehen die große Gefahr eines Abbaus jener Grundrechte im Zuge der Binnenmarktverwirklichung. Man befürchtet ein ”Sozialdumping" als zwangsläufige Folge verschärften wirtschaftlichen Wettbewerbs, damit eine Verschlechterung der sozialen Lage großer Bevölkerungsschichten bei allgemein steigender Produktivität und wachsenden Unternehmergewinnen. Negative soziale Auswirkungen werden vor allem für die strukturschwachen Gebiete Europas erwartet. Als der große Binnenmarktgewinner wird die wettbewerbsstarke BRD angesehen. Folgerichtig wird der Bundesrepublik eine besonders hohe Verantwortung für ”Die Stabilisierung des Wirtschaftswachstums in der gesamten Gemeinschaft, für die Förderung strukturschwacher Regionen aber auch für die Voranbringung des Umweltschutzes in der EG zugewiesen. Bedenkenswert ist die Feststellung, daß EUROPA '92 das offene, noch nicht einmal schamvoll verborgene Primat marktwirtschaftlicher Ökonomie vor demokratischer Politik markiert, und daß die europäische Gewerkschaftsbewegung bislang nicht mit der schnellen Internationalisierung kapitalistischer Wirtschaftstätigkeit mithalten konnte.  Europa  Trotz teils kämpferisch-optimistischen Pathos und konstruktiver Vorschläge vermittelt das vorliegende Buch das Gefühl einer gewissen Ohnmacht und DefensiveinsteIlung gewerkschaftlicher Positionen bezüglich der menschengerechten Mitgestaltung Europas.

Europa '92. Hrsg. v. Franz Steinkühler. Hamburg: VSA-Verl., 1989. 289 S.