Am Ende des fossilen Zeitalters

Ausgabe: 2009 | 1

Ohne Energie geht in unserer modernen Gesellschaft gar nichts. Noch nie hat eine Gesellschaft soviel Energie verbraucht wie die unsere. Allein in Österreich ist der Energieverbrauch in den letzten 25 Jahren um 75 Prozent gestiegen. Die negativen Folgen dieses energieintensiven Lebensstils sind inzwischen längst sichtbar und spürbar. Wie im Report der Max-Planck-Gesellschaft weist auch Karl Otto Henseling, Wissenschaftler im Umweltbundsamt, auf den Zusammenhang mit Aspekten der Ernährungssicherheit und der Klimaerwärmung hin. Als Maßnahmen zur Steuerung der Treibhausgas-Emissionen und langfristiger Energiesicherheit werden gleichfalls die Steigerung der Energie-Effizienz, der verstärkte Einsatz von erneuerbaren Energie und markante Energiesparpotenziale diskutiert.

 

Für den Autor hat unser Zugriff auf natürliche Ressourcen und die Freisetzung von Emissionen, Fremdstoffen und Produkten die Dimension von „Großexperimenten mit dem Lebensraum Erde“ angenommen. „Es ist also nur konsequent, wenn er zur nachhaltigen Sicherung der Lebensgrundlagen eine „bewusste Abkehr von den Irrtümern des fossilen Zeitalters und eine umfassende Neubesinnung des Verhältnisses von Mensch zu Natur“ anmahnt. (vgl. S. 12f.)

 

Trotz vielversprechender Innovationen in den Bereichen erneuerbarer Energien, biologischer Lebensmittel und energiesparender Bauweisen kritisiert Henseling die heute immer noch kurzfristig gewinnträchtige und eben immer noch nicht nachhaltige Planung von Siedlungs- und Verkehrsstrukturen, Ver- und Entsorgungsstrukturen, sowie bei Vermarktungsmethoden und Konsumweisen kritisiert. Aber, so der Autor, ein „Business-as-Usual-Szenario“ wird es für die fossile Energiewirtschaft und die von ihr abhängigen Strukturen nicht geben, „sei es wegen der zur Neige gehenden Vorräte leicht verfügbaren Öls oder wegen der zerstörerischen Folgen des Klimawandels“ (S. 15)

 

Mit dem Vertrauen an die „unsichtbare Hand“ des Marktes, die schon dafür sorgen werde, dass sich unternehmerischer Eigennutz über wirtschaftliches Wachstum in steigenden Wohlstand für Alle verwandeln wird, ist vielen Politikern nach Meinung von Henseling das Bewusstsein dafür abhanden gekommen, dass das Gemeinwohl eine Sache ist, die politisch gestaltet werden muss. Deshalb liegt es an den Akteuren der Zivilgesellschaft, die politisch Verantwortlichen daran zu erinnern, wozu sie von ihren Wählern gewählt worden sind.

 

Im Verlauf des Buches begibt sich Henseling auf eine Reise von den Ursprüngen des industriellen Stoffwechsels mit der Natur (seit den ersten Dampfmaschinen, der Erz- und Kohleverwertung) über chemische Aspekte (FCKW, Ozon) bis hin zu den Auswirkungen der Ölfördermaximierung. Er beklagt wohl zu Recht, dass nach gut 30 Jahren Umweltdiskussion immer noch das Nicht-Wissen-Wollen, das Verdrängen und naiver Fortschrittsglaube unser Bewusstsein dominieren. Umso wichtiger wäre es seiner Ansicht nach „handlungsleitendes Folgenwissen“ in der Gesellschaft zu implementieren. Wobei er durchaus zu bedenken gibt, dass es überaus schwer sei, „die Haupttriebkraft einer über 200 Jahre währenden Erfolgsgeschichte als Irrweg zu erkennen und aus dieser Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen“. (S. 149)

 

Abschließend werden viele kleinere und größere Schritte zur Diskussion gestellt, die uns aus den lebensgefährlichen Verstrickungen des fossilen Zeitalters herausführen könnten. Leitbild für die „Große Transformation“ sind die Verringerung der globalen Treibhausgasemissionen weltweit bis 2050 (gegenüber 2000) um mehr als 60 Prozent und ein anderer Lebensstil.

 

Ein weitreichender Wandel der Lebensstile kann allerdings nur gelingen, wenn die „Bedürfnisfrage“ thematisiert wird. Als Orientierungshilfen zum nachhaltigen Konsum verweist Henseling u. a. auf das Internetportal zum öko-fairen Handel www.oeko-fair.de, auf das Innovationsprojekt EcoTopTen des Öko-Instituts Freiburg www.ecotopten.de, die praktische Orientierungshilfe in Form des „Blauen Engels“ der Jury Umweltzeichen www.blauer-engel.de sowie auf zahlreiche Beispiele des Umbaus zu nachhaltigen Infrastrukturen in der Wasserversorgung, der Stärkung der Kommunalwirtschaft, der Siedlungsentwicklung, der nachhaltigen Mobilität und der Transformation der Energieversorgung (vgl. S. 221).

 

Ein nachhaltiges Energieregime, der Aufbau neuer Infrastrukturen, die Re-Regionalisierung der Landwirtschaft, das alles sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die eine Renaissance der Politik auf lokaler, nationaler und globaler Ebene erfordern. Dies kann nicht allein von der Zivilgesellschaft geleistet werden, deren vielfältige Netzwerke vom Autor genannt werden. Gefordert ist, und das kommt bei Henseling zweifellos zu kurz, eine zukunftsorientierte Allianz von Staat und Zivilgesellschaft, die unumgänglichen Neuerungen auch umzusetzen. A. A.

 

Henseling, Karl Otto: Am Ende des fossilen Zeitalters. Alternativen zum Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen. München: oekom-Verl., 2008. 275 S., € 19,90 [D], 20,50 [A], sFr 33,80

 

ISBN 978-3-86581-122-6