Die letzen Tage Europas

Ausgabe: 2017 | 2
Die letzen Tage Europas

Nein, es handelt sich nicht um einen Tippfehler und es geht nicht um Karl Kraus. Der Titel bezieht sich auf Europa und verheißt nichts Gutes. Der Klappentext unterstützt dieses Gefühl, wenn die Empfehlung ausgesprochen wird, dieses Buch nicht am Stück zu lesen, da dies die  Gesundheit gefährden könnte. Henryk M. Broder spricht davon, was ihn an der europäischen Idee abstößt und irritiert. Für ihn ist Europa ein großes Labor, in dem wir alle Versuchskaninchen eines Experiments sind: Erschaffung einer europäischen Identität (vgl. S. 194). Sehr pointiert, mitunter sarkastisch, aber immer versucht, sich auf Tatsachen zu stützen, kritisiert er die EU-Bürokratie, sinnlose Verordnungen, den Förderdschungel und vieles mehr. Er bringt nicht zuletzt das ungute Gefühl zum Ausdruck, dass viele Menschen haben, wenn sie an die Brüsseler Bürokratie denken. Nach eigenen Angaben geht es ihm nur um eine Bestandsaufnahme, geschrieben im Wissen um die Unmöglichkeit, mit der Aktualität Schritt zu halten.

Kritik an EU-Gipfeltreffen

Broder steht dabei der europäischen Idee keineswegs ablehnend gegenüber. Bei näherer Betrachtung ist das „Projekt Europa“ aber in seinen Augen „ein Koloss auf tönernen Füßen, eine literarische Fiktion wie Jule Vernes ‚Reise zum Mittelpunkt der Erde‘, eine Gebrauchsanweisung für Megalomanen, ein potemkinsches Dorf, das Remake der Geschichte vom Ikarus“ (S. 212). Broder beschwert sich auch über die Belanglosigkeiten diverser EU-Gipfeltreffen. Am Schluss bekennt er offen, keine Lösung zu haben, er wolle aber auch nicht stehen lassen, dass es „keine Alternative“ gibt. Wie Hans-Werner Sinn empfiehlt er ein Moratorium, „eine Auszeit, in der nichts beschlossen und nichts verkündet wird“ (S. 221). Dieser Vorschlag wird wohl ungehört in den Gängen der EU-Bürokratie in Brüssel verhallen – und das muss man nicht unbedingt bedauern. Alfred Auer

 Bei Amazon kaufenBroder, Henryk M.: Die letzten Tage Europas. München: Knaus, 2013. 222 S., € 19,99 [D], 20,60 [A], ISBN 978-3-8135-0567-2