Brücken in die Zukunft

Ausgabe: 2014 | 2

Das Jahrbuch Ökologie 2014 greift den Spannungsbogen zwischen ökologischer Modernisierung und Selbstbegrenzung bzw. zwischen Strategien der Effizienz, Konsistenz und Suffizienz auf. Joseph Huber beschreibt eine Vielzahl an technologischen Umweltinnovationen – von dezentralen Netzen der Energieerzeugung und sauberen Antriebsaggregaten über ein nachhaltiges Ressourcenmanagement der Ökosysteme bis hin zu neuen auf Phytochemie basierenden Werkstoffen. Das Problem liege jedoch in der breitenwirksamen Umsetzung. Da setzt einmal mehr auch Ernst U. v. Weizsäcker an, der allein in der Bepreisung des Naturverbrauchs („aufwärts gerichteter Preiskorridor“) die Chance auf einen massenwirksamen Wandel sieht.

Dass Strategien wie Upcycling und Remanufacturing (Wiederverwendung von Produktteilen) zwar ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Transformation wären, aber bislang nur sehr begrenzt umgesetzt werden, zeigen Sabine Flamme und Peter Krämer in ihrem Beitrag über „Urban Mining“, also der Verwertung der Millionen von Tonnen Rohstoffen, die derzeit in den Abfallbergen der Städter landen. Nur ganz wenige Rohstoffe werden derzeit wiederverwertet – laut einer UNEP-Studie weisen 34 von 60 untersuchten Metallen eine Recyclingquote von weniger als 1 Prozent auf. So gelangen in der BRD allein durch mit Silberfäden durchwirkte Textilien jährlich 500 kg Silber im Abfall. In einer Tonne Mobiltelefone sind 350 g Gold enthalten; im Bergbau können aus einer Tonne Erz  nur 5 g gewonnen werden. In den vielfältigen Ausbringungen in den unterschiedlichsten Geräten sowie in den immer komplexer werdenden Verbindungen sehen die Autoren das Haupthindernis der Wiederverwertung von Rohstoffen, die sich zumindest bislang ökonomisch nicht rechnet.

Da setzt Gerhard Scherhorn mit seiner Forderung nach stringenter Internalisierung von Umweltkosten in die Güter an; da im Kapitalismus Profit aber gerade aus dieser Auslagerung geschöpft werde, sei nicht weniger als die Abkopplung der Marktwirtschaft von der kapitalistischen Produktionslogik notwendig. In einem anderen Beitrag von Angelika Zahrndt u.a. wird den Möglichkeiten „wachstumsneutraler Unternehmen“ nachgegangen und eine wesentliche Bedingung hierfür in der Größenbeschränkung sowie in der Beschränkung der Gewinnen gesehen. Viele Befunde des Jahrbuchs bestätigen, dass „intelligent wachsen“ oder gar „intelligent verschwenden“ alles andere als leicht umzusetzen ist.

Daher fordern mehrere Beiträge des Bandes die Hinwendung zu einer Suffizienzpolitik, die uns alle zu einer Begrenzung des Ressourcenverbrauchs anhält, wie Manfred Linz fordert. „Transformationsinnovationen“ (Cordula Kropp) wie Regionalwährungen, Energiegenossenschaften oder Ökobanken werden dazu ihre Anstöße ebenso leisten wie der an Bedeutung gewinnende „homo sustinens“ (Bernd Siebenhüner), letztlich wird aber die Politik gefragt sein, mehr „Mut zu Visionen“ – so das Motto des Jahrbuchs – zu entwickeln. Dass hier noch großer Aufholbedarf besteht, zeigt nicht zuletzt ein Beitrag von Edgar Göll und Sie Lion Thio über „Parlamente auf dem Weg zur Nachhaltigkeitspolitik“.

Hans Holzinger

Mut zu Visionen. Brücken in die Zukunft. Jahrbuch Ökologie. Stuttgart: Hirzel, 2013. 256 S. 21,90 [D], 22,60 [A], sFr 30,70 ISBN 978-3-7776-2362-7