Julia-Lena Reinermann, Jan-Hendrik Kamlage, Nicole de Vries, Ute Goerke, Britta Oertel, Silvia Diane Schrey (Hg.)

Julia-Lena Reinermann et al. (Hg.): Zukünfte nachhaltiger Bioökonomie

Ausgabe: 2024 | 1
Julia-Lena Reinermann et al. (Hg.): Zukünfte nachhaltiger Bioökonomie

Die Begriffe „Klimaneutralität“ und „Kreislaufwirtschaft“ sind im öffentlichen Diskurs angekommen. Anders verhält es sich mit dem Begriff „Bioökonomie“, den wenige kennen und viele mit Bio-Landbau verwechseln. Was also umfasst Bioökonomie? Sie wird definiert „als Summe aller industriellen und wirtschaftlichen Sektoren, die biologische Ressourcen wie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen nutzen und damit eine Umstellung von einer fossilen auf eine biomassebasierte Wirtschaft ermöglichen“ (S. 119). Nachzulesen ist das in einem Band, der Forschungsprojekte zum Wissenstransfer über Bioökonomie sowie die Einbindung aller Betroffenengruppen, also Stakeholder, in die Umsetzung einer Bioökonomie-Strategie referiert.

Blick auf Ansätze der Bioökonomie und Nutzungskonflikte

Die Beiträge stellen unterschiedliche Ansätze und Anwendungen der Bioökonomie ebenso vor wie die damit verbundenen Nutzungskonflikte und Konkurrenzen, etwa zwischen Nahrungsmittel- und Energiepflanzenproduktion, neuen nachwachsenden Rohstoffen und Naturschutz sowie Artenvielfalt. „Bioökonomische Konzepte haben umfassende Veränderungen unserer Wirtschaftsweise und Lebensweise zum Ziel, die viele Menschen, sei es in ihrer Rolle als Konsument:innen oder als Anwohner:innen, direkt betreffen werden“, heißt es in der Einführung (S. 23). Und an anderer Stelle: „So ist eine biobasierte Umstellung oftmals ein Segen für die Agrarindustrie, aber die ungerechten Produktionssysteme verstetigen sich, bei denen Nutzen und Lasten ungleich verteilt sind“ (S. 22). Der Tenor der Beiträge lautet daher, dass nur die Einbindung aller Betroffenengruppen zu konstruktiven Lösungen führen könne.

Für den ländlichen Raum werden neue Wertschöpfungsimpulse erhofft, der Schwerpunkt müsse jedoch auf der Verwertung von landwirtschaftlichen Abfällen in sogenannten Kaskadennutzungen liegen, und nicht auf neuen Monokulturen, die weitere Ackerflächen besetzen und die Böden auslaugen. Als Beispiele gelten etwa die Verwertung von Gras- und Gehölzschnitt zu Energie und Aktivkohle, die Verwendung von Obsttrester für biobasierte Verpackungsbeschichtungen oder die Verarbeitung von Gärresten zu Düngemitteln und Verbundwerkstoffen (vgl. S. 64). Ein Projekt für urbane Räume wiederum hat zum Ziel, aus den Abwässern Phosphor- und Stickstoffdünger rückzugewinnen, beides in der Herstellung sehr energieintensive und damit auch klimaschädliche Produkte. Die Menschen wollen Lebensmittel regionaler Herkunft, sie lehnen Anbau von Kulturpflanzungen für industrielle Verwertungen eher ab, sind aber für Reststoffverwertungen offen, so der Befund eines weiteren Beitrags.

Umfangreicher und vielfältiger Input

Der umfangreiche Band wird wohl vor allem von Fachkreisen rezipiert werden, breitere Debatten sind in den Medien zu erwarten, wenn Nutzungskonflikte virulent werden.