Andreas Metzner-Szigeth

Zukunftsfähige Entwicklung

Online Special
Zukunftsfähige Entwicklung
Wie wir Systeme anders wahrnehmen und Veränderung gestalten können

Aufgrund der weit verbreiteten Erfahrung und Einschätzung, dass bisherige Politiken und Projekte nur in unzureichendem Maße in Richtung Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung führten, wird immer häufiger nach neuen Denk- und Handlungsmustern gesucht. Im vorliegenden Sammelband werden einige solcher Suchprozesse und Ansätze dargestellt. In der Einleitung legt der Herausgeber Metzner-Szigeth seine Intention dar, den Nexus von zukunftsfähigen Entwicklungen, generativen Organisationskulturen und künstlerischen Interventionen zu thematisieren. In dem Buch „zielen alle Ausführungen darauf ab, herauszuarbeiten, wie es mit Hilfe von sach- und fachübergreifenden Denk- und Handlungs-Ansätzen gelingen kann, Übersicht und Handlungsfähigkeit (zurück) zu gewinnen – kein leichtes Unterfangen, angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit.“ (S. 8) Die einzelnen Beiträge verbleiben dabei allerdings weitgehend disparat, und auch die fünf vom Herausgeber als Iterationen bezeichneten Zwischenkapitel erfüllen kaum eine integrative und eine auf die Beiträge Bezug nehmende und integrierende Reflexion. Das Themenspektrum der weitgehend separat verbleibenden Beiträge umfasst Lernprozesse an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft, die Bedeutung sozialer Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung, strategisches Management, generative Organisationskulturen und Führungsaufgaben, innovationsförderliche Organisationskulturen, die Zertifizierung von Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit als neue Muse, Wirtschaft und das Geheimnis der Kunst, Systemaufstellungen zur Analyse von Unternehmenskulturen sowie die Erforschung künstlerischer Interventionen in Organisationen.

Soziale Innovationen für nachhaltige Entwicklungen

Über die wesentliche Bedeutung sozialer Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung äußern sich Michael Schwarz und Jürgen Howaldt: „Wenn eine nicht-nachhaltige, massiv krisenbehaftete Entwicklung das Ergebnis entsprechender Praktiken (des Wirtschaftens, Produzierens, Konsumierens, Zusammenlebens) sowie einer umfassenden Steuerungskrise ist, dann  setzt der Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung eine grundlegende Veränderung dieser Praktiken sowie die Etablierung neuer Governancemodelle voraus. Soziale Innovationen, verstanden als intentionale und kollaborative Neukonfiguration sozialer Praktiken stehen somit im Zentrum der Herausforderung des Übergangs zu einer nachhaltigen Entwicklung.“ (S. 55) Dabei spielen auch Rahmenbedingungen wie z. B. in Unternehmen und anderen Organisationen eine Rolle. Und hierzu sind innovationsförderliche Organisationskulturen notwendig, denn neue Ideen lassen sich erfahrungsgemäß nicht einfach planen oder verordnen. Zwar können durch kreative Freiräume und Unternehmensstrukturen, Methoden zur Ideengenerierung etc. günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung innovativer Lösungen schaffen, doch müssen diese von den Akteuren letztendlich genutzt werden. Die Beachtung individueller Haltungen ist daher relevant. Als Ergebnis aus der Innovationsforschung „lassen sich unter Bezugnahme auf die Kerndimensionen menschlicher Leistungserbringung drei wesentliche und gleichermaßen bedeutungsvolle Facetten organisationaler Innovativität benennen: Veränderungsbereitschaft, -fähigkeit und -möglichkeit.“ (S. 142)

Analysen via Systemaufstellungen

Darauf bezogen stellen Georg Müller-Christ und Romy Gerhard die Möglichkeit vor, Unternehmenskulturen mit Systemaufstellungen zu analysieren, „die es erlauben, das Nicht-Sichtbare von Organisationen zu visualisieren und sogar zum Sprechen zu bringen. Systemaufstellungen erlauben es, eine topologische Karte über die Tiefe eines sozialen Systems zu erstellen, indem Menschen für die sichtbaren und nicht sichtbaren Entitäten eines Systems im Raum aufgestellt werden.“ (S. 202) Ein weiterer Ansatz, der über übliche Vorgehensweisen hinausgeht, sind künstlerische Interventionen in Organisationen, wie sie Ariane Berthoin Antal erforscht hat. Sie entschied sich dafür, „künstlerische Interventionen als lernorientierte Momente zu definieren, in denen Menschen, Praktiken bzw. Produkte aus der Welt der Künste in Organisationen eintreten.“ (S. 218) Anhand einiger Beispiele macht sie deutlich, welche „ex-zentrischen“ Interventionen und Maßnahmen (S. 242) in Sachen zukunftsfähige Entwicklung fruchtbar werden könnten. Intendierte Effekte sind aber keineswegs garantiert.

In diesem Sammelband sind Ansätze zu finden, die exotischer scheinen und tiefer gehen als übliche – und weiterhin unerlässliche – Aktivitäten. Damit werden soziale Praktiken bemerkbar, in denen weniger sichtbare Aspekte wie kulturelle, ästhetische und psychologische Dimensionen berücksichtigt werden, die schwer zugänglich, aber dennoch wirkmächtig sind.