Zukunft und staatliche Verantwortung

Ausgabe: 1987 | 4

 Mit dem Wunsch, in diesem Band »die Möglichkeiten der ökonomischen, ökologischen und sozialen Erneuerung westlicher Industriestaaten am Beispiel Nordrhein-Westfalens ... zu umreißen«, haben sich die Herausgeber ein hohes Ziel gesetzt. Dies umso mehr als hier nicht nur die praktischen Herausforderungen an die öffentliche Hand angesprochen, sondern auch grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Politik und Zukunftsforschung nicht ausgespart werden. eh. Zöpel erläutert einleitend, wie im Grunde unvereinbare Anforderungen an den Staat, die dessen Repräsentanten verunsichern (oder gar überfordern) zu einer »Krise der Staatlichkeit« geführt haben, und skizziert die „Umwandlung des hinterfragten Staates in einen fragenden“. Zöpel vertraut dabei weniger auf die Intuition von »lnnovations-Champions« oder Grenzgänger zwischen Politik und Wissenschaft, sondern fordert ein neues Verhältnis der beiden zueinander. Eine an verantwortungsvoller Politik orientierte sozialverträgliche Forschung muss

  • isolierte Betrachtungsweisen aufgeben und Sachzusammenhänge erkennen,
  • implizierte Wertentscheidungen als solche wahrnehmen,
  • positive wie auch negative gesellschaftliche Rückmeldungen über Gefährdungen und Risiken als Herausforderung annehmen,
  • selbst dazu beitragen, dass Entscheidungen ohne weitreichende Nebenfolgen und Schaden zurückgenommen werden können und schließlich
  • einsehen, dass nicht nur die Politik, sondern auch sie selbst für die Entstehung von Sachzwängen verantwortlich ist.

Welche Rolle in diesem neuen Verhältnis von Staat und Wissenschaft die Zukunftsforschung zumindest derzeit spielen könnte, wird von Rainer Mackensen ebenso pointiert wie kritisch beschrieben. Gerade in der BRD herrscht gegenüber anderen westlichen Staaten auf diesem Sektor großer Nachholbedarf, denn es erweist sich immer wieder - und ist zumindest im Kreise der Fachleute kein Geheimnis, dass an gewandte Zukunftsforschung nicht mit Modellprognostik gleichzusetzen ist. Während letztere (mit meist bescheidenem Erfolg) die Zukunft aus den Bedingungen der Realität erschließen möchte, will jene alternative Handlungsmöglichkeiten als Planungsgrundlage anbieten. J. Hesse behandelt in seinem Beitrag die grundsätzlichen Funktionen staatlicher Institutionen (Orientierungs-, Organisations- und Vermittlungsaufgaben), die nur erfüllt werden könne, wenn seitens der Wissenschaft quantitativ wie qualitativ genügend Daten als Rahmenbedingung staatlichen Handelns vorgelegt werden. Wie dieses in näherer Zukunft aussehen könnte, ist Gegenstand des zweiten Abschnitts. Beiträge zur Bevölkerungsentwicklung (Kaufmann/Müller), zur Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Situation, zur Arbeitsmarktlage finden sich ebenso wie Überlegungen zur technisch-innovativen und ökologischen Herausforderung (A. Bechmann). Schließlich werden Folgerungen für einzelne Problem- und Politikbereiche (Freizeit, Stadtentwicklung, Qualifikation und Bildung) erörtert.    Die Verbindung von theoretisch-analytischen und praktischen Aspekten zukunftsorientierter Forschung und Politik ist hier im Ansatz überzeugend gelungen. Das Buch ist vielversprechender Beginn einer Reihe, in der die Diskussion fortgeführt und vertieft werden soll. 

Zukunft und staatliche Verantwortung. Hrsg. v. Joachim J. Hesse u. Christoph Zöpel. Baden-Baden: (Forum Zukunft; Bd. 1). Nomos-Verl., 1987. 2165.