Zukunft der Arbeit – welcher Arbeit?

Ausgabe: 1998 | 4

Die Debatten über die Zukunft der Arbeit und die ökologische Problematik werden meist isoliert voneinander geführt; wenn überhaupt, dann interessiert lediglich die Frage, ob eine ökologische Wende zu mehr oder weniger Arbeitsplätzen führt. Ziel der Herausgeber dieses Bandes ist es, diese Reduzierung zu überwinden. Ausgehend vom Umstand, daß Arbeit nicht nur "produktiv und schöpferisch'; sondern immer auch "destruktiv und zerstörerisch" ist, daß weiters die Reduzierung auf die Erwerbsarbeit weder die ökologischen noch die sozialen Herausforderungen zu lösen vermag und auch den Blick verstellt für den breiten Sektor der unbezahlten Tätigkeiten, wurde in einem Workshop am Wuppertal-Institut der Versuch unternommen, die Arbeit der Zukunft im Sinne "pluraler Ökonomien" breiter zu fassen.

Ganz in diesem Sinne rufen Adelheid Bisecker und Uta v. Wintersfeld die "vergessenen Arbeitswirklichkeiten" der (vor)sorgenden Tätigkeiten in Erinnerung und plädieren zugleich dafür, diese wohl auch den Männern erfahrbar zu machen, sie jedoch vor dem "kommerzialisierenden Zugriff der herrschenden Ökonomie" zu bewahren (S. 47). Das duale Prinzip von Erwerbs- und Hausarbeit zu durchbrechen, ist Ziel auch eines vertiefenden Beitrages von Sabine Wolf. Eine den "Bedingungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts" angemessene "subsistenzorientierte Wirtschafts- und Lebensweise" (S. 238) neu zu erfinden, stellt Veronika Bennholdt-Thomsen als lohnende Perspektive heraus. Sie findet wohl Unterstützung in der Kritik von Otto UIIrich am "Mythos der Arbeitsgesellschaft" sowie im erweiterten Panorama "wertvollen Arbeitens" von Klaus Grenzdörffer. Ruth Becker hingegen ortet in der neuerdings wieder hochgehaltenen ”Eigenarbeit" eine "patriarchale Falle für Frauen" und plädiert gerade deshalb auch für eine Professionalisierung der Versorgungsleistungen.

Ein eigener Abschnitt ist dem Themenbereich "Arbeitszeit" gewidmet. Jürgen Rinderspacher warnt davor, die gegenwärtigen Arbeitszeitflexibilisierungen mit vermehrter Zeitsouveränität der ArbeitnehmerInnen gleichzusetzen. Er sieht in Jahresarbeitszeitmodellen sowie im Anpeilen einer "Drei-Zeit-Gesellschaft" (Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, Freizeit) anstelle der "Freizeitgesellschaft" (S. 94) den zukunftsträchtigsten Weg, arbeitsmarktpolitische, ökologische und die Geschlechterfrage erfassende Ziele zu erreichen. Arbeitsrechtliche Adaptionen aufgrund der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses (Ulrich Mückenberger), Fragen nach der Akzeptanz neuer Arbeits- und Konsumstile (Eckhart Hildebrand) sowie neue Handlungsoptionen in einer solidarischen Gesellschaft sind weitere Themen dieses Abschnitts. Helmut Spitzley plädiert für die 4-Tage- bzw. 25-Stunden-Woche, eine Neudefinition der Normalarbeitszeit ("Vollbeschäftigung neuen Typs" mit Belohnungen für jene, die weniger arbeiten) sowie eine ”Interessensvertretung der ganzen Arbeit“.

Mehrfach (und explizit von Liselotte Wohlgenannt) wird ein arbeitsunabhängiges Grundeinkommen als Mittel zur Aufhebung des Zwangs zu naturzerstörerischer Arbeit vorgeschlagen. Für die Herausgeber greift dieser Ansatz jedoch zu kurz. Im abschließenden Ausblick kritisieren sie das Grundeinkommen als "veredelte Sozialhilfe'; die gerade zur Zementierung des Arbeit-Einkommens-Gespanns oder- im Falle der negativen Einkommenssteuer - zu einem die Unternehmen sozial entpflichtenden Niedriglohnsektor führen würde. Doch es sind die kontroversen Sichtweisen, die dem vorliegenden Band seine Würze geben. Das Thema wird wohl noch mehrere Bücher füllen.


H. H.

Zukunft der Arbeit – welcher Arbeit? Hrsg. v. Willi Bierter ... Berlin (u. a.): Birkhäuser-Verl., 1998.311 S. (Wuppertal Texte) DM 29,80 / sFr 26,-/ ÖS 218,-