Zeitgemäßer Liberalismus

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Lisa Herzog plädiert für einen zeitgemäßen Liberalismus. In ihrem Buch „Freiheit gehört nicht nur den Reichen“ beschreibt sie, was sie darunter versteht. Das Ziel ist, „ernst zu machen mit dem Ideal gleicher Freiheit und sich insbesondere neu zu orientieren darüber, was der Sinn des Wirtschaftens eigentlich ist und wie es in einer Welt endlicher Ressourcen so gestaltet werden kann, dass alle profitieren“ (S. 179). Schlüsselwörter in ihrem Text sind „alle“, „Sinn“ und „endlich“. Aber Schritt für Schritt.

Es geht der Autorin darum, dass „alle“ Freiheit genießen. Dazu brauchten „alle“ auch eine wirtschaftliche Grundlage. Herzog kritisiert einen Liberalismus, der die Abwesenheit staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft zum zentralen Thema macht. „Ein Nachtwächterstaat und der freie Markt werden in der Regel nicht ausreichen, um sicherzustellen, dass für alle Mitglieder der Gesellschaft die Grundlagen materieller wie immaterieller Art gelegt sind, um ein selbstbestimmtes Leben führen und die eigene Urteilskraft erlernen und gebrauchen zu können“, schreibt Herzog. Sie verwirft auch das Argument, dass Wirtschaftswachstum auf der Basis des freien Marktes indirekt den wirtschaftlich Schwächeren helfe, denn „… jenes ‘trickle down’ ist ein höchst fragwürdiger Mythos“ (S. 73). Staatliche Eingriffe sind für sie in das liberale Politik-Repertoire aufzunehmen: „Es kommt darauf an, die richtige Balance von Institutionen zu finden, sodass alle Individuen ein möglichst großes ‘Bündel’ an Freiheiten haben.“ (S. 76)

In einem anderen Kapitel stellt sie die Frage an das Leben: „Wozu das Ganze?“ Herzog stellt dann fest, dass Soziologie, Psychologie und Verhaltensökonomie dieses Bild längst widerlegt haben. So rational seien die Menschen nun doch nicht. Deswegen, so Herzog, dürfe der Staat den Bürgerinnen und Bürgern unter die Arme greifen. Zum Beispiel, um sie vor Werbung zu schützen, die nicht einlösbare Glücksversprechen macht. Bei diesem Beispiel wird ihr Dilemma klar: Dürfen jetzt auch Liberale den Markt und die Konkurrenz staatlich einschränken, um zu vermeiden, dass das ganze Leben ein Wettrennen wird und der eigene Wert ausschließlich von der Platznummer abhängt? (S. 162)

Und auch die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen soll im Liberalismus Platz finden. „Das Hauptproblem mit dem Markt ist (…), dass der ‘Preis’ für viele Güter, der sich in freien Märkten bildet, die Auswirkungen auf die Natur nicht oder nur unzureichend erfasst.“ (S. 148) Herzog tritt dort für Eingriffe in den Markt ein, wo der Ressourcenverbrauch und Nebeneffekte (Treibhausgase), die nachweislich negative Folgen haben, fordert aber Freiheit für technische Innovationen, da diese Teil der Lösung sein müssten.

Karen Horn, Vorsitzende der marktliberalen „Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft“, nannte gegenüber der FAZ diese Thesen Herzogs eine Kapitulation des Liberalismus. Herzog dürfte das allerdings entspannt sehen. Ihr neuer Liberalismus ist längst der des amerikanischen „Liberalism“ eines Barak Obama: „Der `neue´ Liberalismus sieht weder den Markt noch den Staat als generell freiheitsfördernd oder generell freiheitszerstörend  (…).“ (S. 76)

Herzog, Lisa: Freiheit gehört nicht nur den Reichen: Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus. München: C. H. Beck, 2013. 207 S., € 14,95 [D], 15,40 [A], sFr 20,90 ; ISBN 978-3-406-65933-1